Blankoscheck und Wundertüte
Dieser 18. November war ein schlechter Tag für den Parlamentarismus und ein schwarzer Tag für die Freiheit. Die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes soll Löcher stopfen, die politisch Verantwortliche in das Gewebe des Rechtsstaates gerissen haben. Das Gesetz ist dazu aber gar nicht in der Lage. Es ist eine Verschlimmbesserung.
Es ermächtigt nämlich die Exekutive – unter Ausschluss der Parlamente – per Verordnung und nach Feststellung einer „epidemischen Notlage“durch den Bundestag, Grundrechte der Deutschen einzuschränken. „Ermächtigt“kommt in dem Gesetzentwurf übrigens zwölf Mal vor.
Sein Kern, der neue Paragraf 28a, listet so ziemlich alles auf, was das Seuchenkabinett aus Kanzlerin und Ministerpräsidenten bisher beschlossen hat. Gerichte haben allerdings immer öfter solche Regeln gekippt – weil es eben keine eindeutige Rechtsgrundlage gab.
Die Einschränkungen von Grundrechten wurden außerdem von einem Gremium beschlossen, das im Grundgesetz nicht vorgesehen ist. Der Verfassungsrechtler Rupert Scholz (CDU) nennt das Seuchenkabinett daher einen „Zirkel, der sich unabhängig, sozusagen wie eine im freien Raum schwebende Regierung, gesetzgeberisch betätigt.“
Beide Missstände heilt die Gesetzesänderung nicht, sondern reißt neue Wunden auf.
Zum einen sind die in Paragraf 28a genannten Maßnahmen Gummibestimmungen, ein Blankoscheck, eine Wundertüte. Beispiel: Da ist die Rede von Ausgangsbeschränkungen „im privaten und öffentlichen Raum“. Darf die Behörde mir das Betreten des eigenen Gartens verbieten?
Zum anderen aber dürfen Grundrechte in diesem Land nur vom parlamentarischen Gesetzgeber eingeschränkt werden. Und welche Grundrechte können da nicht alles gekappt werden! Man sollte das im Gesetz selbst nachlesen: Freiheit der Person, Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit, Unverletzlichkeit der Wohnung und – ja! – sogar die körperliche Unversehrtheit, die es ja angeblich mit dem Papier zu schützen gilt.
Eben weil der Gesetzgeber sich hier aus dem Spiel nimmt, hatte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages bereits im Vorfeld diese Ermächtigungen als „erheblich problematisch“beschrieben.
Dieses Gesetz, das Grundrechtseinschränkungen letztlich in die Hände der Exekutive legt, ist zudem eine Selbstverzwergung der Abgeordneten und der Parlamente. Sie allein haben gefälligst über jeden derartigen Einschnitt zu entscheiden. Und ja: Es geht auch darum, klare Verantwortlichkeit für die Bürger erkennbar zu machen: für die nächste Wahl. Solche Entscheidungen gehören in die Öffentlichkeit der Parlamente und nicht in Amtsstuben.
Fazit: Dieses Gesetz muss schnellstens vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden.
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