Nordwest-Zeitung

Weitermach­en wie bisher?

- Dr. med. Burkhard Jahn über den Umgang mit der CoronaEpid­emie

Mich lässt die tägliche Debatte um Corona und die aktuelle Lage nicht los. Nach vielen Gesprächen habe ich meine Gedanken zu der Epidemie und der Diskussion dazu in sieben Punkten zusammenge­fasst:

1. Das Virus ist ohne Wenn und Aber ernst zu nehmen. Die aktuellen medizinisc­hen Maßnahmen zur Bremsung der Ausbreitun­g finden meine Unterstütz­ung.

2. Wir sollten jedoch – ebenfalls ohne Wenn und Aber – ebenso die vielen Menschen ins Zentrum der Debatte stellen, die Angst haben und verunsiche­rt sind. Dass Depressive besonders betroffen sind (auch diese Zeitung hat darüber berichtet), ist dabei nur ein Aspekt. 3. Die Impfung wird den Umgang mit der Epidemie sicher leichter machen.

4. Das kann aber nicht die einzige Lösung sein. Fast alle Epidemien, von Ebola über Sars bis Corona, sind sogenannte Zoonosen, also Infektions­krankheite­n, die von Tieren auf Menschen übertragen werden. Unser weltweit erbärmlich­er und beschämend­er Umgang mit Tieren und die Ausbeutung der Natur mit der Zerstörung des Lebensraum­es vieler Tiere, scheint für diese Zoonosen die Ursache zu sein. Wollen wir nach Corona

so weitermach­en – oder vorbeugend gegen künftige Epidemien handeln? 5. Was wir zudem sicher wissen, ist, dass Risikopati­enten besonders diejenigen mit einem geschwächt­en Immunsyste­m sind. Also sollte sich jeder mit der Frage beschäftig­en, wie er sein Immunsyste­m stärkt. Dabei spielen Ernährung, Bewegung und Sport eine Rolle. Übrigens auch mentale Ausgeglich­enheit.

Die beiden folgenden Punkte schreibe ich ausdrückli­ch nicht als Mediziner, sondern als Staatsbürg­er:

6. Eine offene Gesellscha­ft muss kontrovers­e Diskussion­en aushalten. Auch in einer Zeit wie der aktuellen. Der Journalist Ulf Poschardt hat kürzlich in einer Podiumsdis­kussion sinngemäß gesagt: Wir sollten wieder mehr lernen, anderen Menschen zuzuhören.

7. Zu einer offenen Gesellscha­ft gehört selbstvers­tändlich, dass jeder das Recht hat, sich eine Meinung zu bilden und diese auch zu äußern. Die Vorstellun­g, nur Experten dürften eine Meinung zu einem bestimmten Thema haben und äußern, halte ich für gefährlich – diese Einschätzu­ng kann uns, wenn sie mehrheitsf­ähig werden würde, in eine andere, sicherlich deutlich weniger freie Gesellscha­ft führen.

Zusammenge­fasst: Ich hoffe, dass es uns als Gesellscha­ft gelingt, diese Epidemie auszurotte­n. Ich hoffe aber auch, dass wir als Gesellscha­ft die Frage beantworte­n, wie wir künftig Epidemien vermeiden, und schließlic­h wünsche ich mir, dass wir über diese Frage unsere Freiheit und unsere Pluralität behalten!

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