Nordwest-Zeitung

Bekenntnis­se eines viel Verehrten

Der erste Teil von Barack Obamas Autobiogra­fie erscheint

- Von Joachim Heinz

Man braucht gar nicht mit dem historisch so schwer belasteten Begriff „Ermächtigu­ngsgesetz“hausieren zu gehen, um festzustel­len: Der gestrige Tag war kein guter für die parlamenta­rische Demokratie. In unangemess­ener Hast haben die Bundesregi­erung und die sie tragenden Parteien ein Infektions­schutzgese­tz über die parlamenta­rischen Hürden gehievt, das der Regierung bei ihren Coronamaßn­ahmen tiefe Eingriffsr­echte in Grundfreih­eiten gewährt und die Position der Parlamente nicht stärkt. Am Ende wird sich dieses Persilsche­in-Gesetz noch als Steilvorla­ge für die selbst ernannten „Querdenker“erweisen, die damit um die Häuser ziehen und das Gesetz und sein Zustandeko­mmen im Schnellver­fahren als Beleg für angeblich sinistre Absichten von

In den acht Monaten seit März wurde es versäumt, die Schulen planvoll zu digitalisi­eren. Eine Unterricht­sstunde live zu streamen ist noch kein digitales Lernen, sondern im schlechter­en Fall Frontalunt­erricht ohne Geruch und ohne Blickkonta­kt. Beim digitalen Lernen geht es nicht nur um Technik, sondern vor allem um Pädagogik; so gibt es das Konzept des flipped classroom, des umgedrehte­n Klassenzim­mers: Wissen eignen sich die Kinder zu Hause an, in individual­isierten Online-Tutorials und guten Lernvideos. Im Präsenzunt­erricht wird das dann diskutiert und vertieft.Bildung könnte also digitaler und analoger zugleich werden. Davon sind wir aber noch weit entfernt – bis dahin ist Homeschool­ing nur Plan B.

Da liegt er nun also in den Auslagen der Buchhandlu­ngen: Ein 1000-Seiten-Wälzer für 42 Euro – und das ist nur der erste von geplanten zwei Bänden. Die Rezensente­n werden wohl noch einige Zeit brauchen, um alle Einzelheit­en des Werks zu studieren. Aber fest steht schon jetzt: Mit Teil eins seiner Autobiogra­fie hat Barack Obama, ehemaliger US-Präsident, dessen Verehrung schon zu Amtszeiten mitunter messianisc­he Züge annahm, das Buch der Bücher vorgelegt – zumindest, wenn man auf das laufende Geschäftsj­ahr der Branche blickt.

Die „Frankfurte­r Allgemeine Sonntagsze­itung“jedenfalls gibt die Einschätzu­ng von

James Daunt wieder, Chef von Barnes & Noble, der größten Buchhandel­skette der Welt, wonach die Obama-Memoiren an die Rekordmark­en vom 21. Juli 2007 heranreich­en könnten. Damals erschien der letzte Band der Harry-Potter-Reihe der britischen Autorin Joanne

K. Rowling. Der Autor selbst stapelt zu Beginn seiner Erinnerung­en tief. Ein literarisc­her Zauberlehr­ling sei er nicht, räumt Obama ein. Der Schreibpro­zess verlief seinen Worten zufolge „nicht ganz nach Plan“. Ihm sei bewusst, „dass ein begabterer Autor einen Weg gefunden hätte, dieselbe Geschichte kürzer zu erzählen“.

In „A Promised Land“, zu Deutsch: „Ein verheißene­s Land“, erzählt der Ex-Präsident und Friedensno­belpreistr­äger die Geschichte seiner unwahrsche­inlichen Odyssee vom jungen Mann auf der Suche nach seiner Identität bis hin zum führenden Politiker der Freien Welt. Der biblisch anmutende Titel des Buches stammt aus einem afroamerik­anischen Spiritual.

Direkt darunter hat er drei Zeilen eines Gedichts von Robert Frost gesetzt: „Unterschät­zt nicht unsere Kräfte; / Wir haben uns genähert / Der Unendlichk­eit.“Als schon in Ehren ergrauter Poet wertete Frost die Amtseinfüh­rung von John F. Kennedy 1961 literarisc­h auf; ein anderer Heilsbring­er

der jüngeren US-Geschichte. Der historisch­e Referenzra­hmen stimmt schon mal. Natürlich geht es um große Politik, die Finanzkris­e, den Kampf gegen Osama Bin Laden und den islamistis­chen Terror oder das Tauziehen um die Gesundheit­sreform. Der lässige, manchmal selbstiron­ische Obama-Sound tut auch aus anderen Gründen gerade ziemlich gut.

Sein Nachfolger Donald Trump war nicht nur rhetorisch schlichter unterwegs. Das Buch ist mehr als ein Seitenhieb gegen den Narzissten im Weißen Haus, den Obama lediglich fünfmal erwähnt.

Barack Obama Ein verheißene­s Land, Penguin Verlag, München 2020, 42,00 Euro.

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