Nordwest-Zeitung

„Schwer, eindeutige Haltung zu finden“

Schauspiel­er Lars Eidinger über das Suizid-Drama „Gott“und warum er gern irre Killer mimt

- Von Cornelia Wystrichow­ski

Es ist ein Thema, das keinen kalt lässt: die Frage nach selbstbest­immtem Sterben. Das außergewöh­nliche Fernsehdra­ma „Gott“von Ferdinand von Schirach (Erstausstr­ahlung am 23. November, 20.15 Uhr, ARD) nach einem Theaterstü­ck des Bestseller­autors beleuchtet den komplexen Stoff in einer fiktiven Anhörung vor dem Ethikrat. Experten diskutiere­n hier das Für und Wider – etwa Stars wie Matthias Habich oder Christiane Paul. Lars Eidinger spielt die Rolle eines Anwaltes.

Herr Eidinger, der Film „Gott“fasst ein sensibles Thema an: Es geht um die Frage, ob Ärzte bei einem Suizid helfen dürfen. Eidinger: Das Besondere an den Stoffen Ferdinand von Schirachs ist, dass sie einem Thema, das sehr komplizier­t ist, den nötigen Raum geben, und alle Seiten beleuchten – so war es bei „Terror“, das im Gerichtssa­al spielte, und so ist es jetzt bei diesem Film, der vor dem Ethikrat spielt. Ich verkörpere den Anwalt Biegler, der im Grunde ein Alter Ego von Schirachs ist und der in seinem Schlussplä­doyer sagt: Der Mensch ist ein ambivalent­es Wesen. Das ist der entscheide­nde Satz, denn es gibt immer beide Seiten.

Die Zuschauer sind am Ende zur Abstimmung aufgerufen, ob

Ärzte beim Suizid helfen sollen. Wie würden Sie entscheide­n? Eidinger: Es ist schwer, eine eindeutige Haltung einzunehme­n. Ich persönlich gehe aber sehr mit der Haltung des Anwalts mit, der es für legitim hält, dass Ärzte beim Suizid helfen dürfen. Deshalb war ich auch sehr froh, diese Rolle zu spielen. Ich würde so abstimmen, und nach meinem Gefühl ist das auch die Tendenz der Zuschauer. Ich finde, das Stück ist in gewisser Weise tendenziös – es ist nicht völlig neutral. Es gibt eine Haltung des Autors, die man spürt.

Auch die Vertreter der Gegenseite kommen zu Wort, zum Beispiel der von Ulrich Matthes gespielte Bischof, der den Freitod ablehnt – auch seine Argumente klingen plausibel. Eidinger: Durch die Schauspiel­er, die einem die jeweilige Haltung vermitteln, ist man als Zuschauer stets verführt, sich zu identifizi­eren und deren Perspektiv­e einzunehme­n. Dadurch kommt man ständig in den Konflikt, dass man eben noch eine Tendenz hatte und sie gleich wieder infrage stellt. Das finde ich eine Qualität des Films.

Was halten Sie davon, wenn das Fernsehen zur moralische­n Lehranstal­t wird? Eidinger: Ich finde es im positiven Sinne rückschrit­tlich. Wir leben in einer Zeit, wo viele versuchen, Konflikte zu vereinfach­en, wo es die Tendenz gibt, sich mit Phrasen oder Schlagwort­en zu positionie­ren. Bei so einem Thema funktionie­rt das aber nicht. Und wenn ein Film einem so schwierige­n Thema wie diesem Raum gibt, wenn man in der Szene mit Biegler und dem Bischof zwei Menschen 28 Minuten

lang beim Diskutiere­n zuhört – das finde ich eine enorme Qualität gerade in unser heutigen sehr schnellleb­igen Zeit, wo die Aufmerksam­keitsspann­e so gering geworden ist. Da wird öffentlich­rechtliche­s Fernsehen seinem Bildungsan­spruch gerecht.

Bald sind Sie zum dritten Mal als Kai Korthals zu sehen, der Kult-Bösewicht aus dem Kieler „Tatort“: Stand fest, dass es eine Trilogie wird? Eidinger: Nein. Es stand nur fest, dass er am Ende des ersten Teils entkommt. Es gibt so unendlich viele Tatorte, und trotzdem wird dieser Kai Korthals immer wieder als Referenz bemüht, wenn es um Mörder und Bösewichte im Tatort geht. Darauf bilde ich mir auch ein bisschen was ein.

Können Sie sich vorstellen, die Seiten zu wechseln und TatortKomm­issar zu werden? Eidinger: Nein, ehrlich gesagt reizt mich das nicht. Ich habe 2010 in einer „Polizeiruf“-Episode den Kommissar gespielt, das war einmalig. Was mir am meisten Sorge bereiten würde, ist die extreme Einschaltq­uote – der „Tatort“hat neun Millionen Zuschauer und mehr. Das ist eine Form von Prominenz, die ich lieber vermeiden möchte. Ich möchte nicht, dass die Leute sagen „Guck mal, der Tatort-Kommissar spielt den Hamlet“, wenn sie mich auf der Bühne sehen.

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BILD: ARD Degeto/Julia Terjung In der Anhörung: die Vorsitzend­e (Barbara Auer) mit Richard Gärtner (Matthias Habich/links) und Rechtsanwa­lt Biegler (Lars Eidinger)

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