Kohle für Stahl?
Der Stahlkonzern Thyssenkrupp verschärft den Stellenabbau. Er streicht 11 000 Stellen. Das Siechtum des Unternehmens begann schon vor Corona. Stahl gibt es mehr als genug, Europa wird davon überschwemmt. Die Pandemie ist also nicht schuld, doch sie verschärft den Niedergang. Thyssenkrupp ruft verzweifelt nach einem Einstieg des Staates. Bislang ohne Erfolg.
75 Firmen haben in der Corona-Krise bereits beim Staat wegen einer Beteiligung angeklopft, bei 15 steht dessen Einstieg unmittelbar bevor. Auch Großkonzerne brauchen diesmal eine rettende Hand. Dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist, ist bekannt. Doch er muss anfangen, seine Rolle klarer zu definieren.
Das bekannteste Beispiel ist die Lufthansa, die anders als Thyssenkrupp in der Pandemie völlig unverschuldet zum Rettungsfall wurde. Die Milliardenhilfen des Bundes sind vor diesem Hintergrund nachvollziehbar. Unverständlich ist dagegen, dass die Steuerzahlerhilfen nur marginal an die Erfüllung von Nachhaltigkeitsund Umweltkriterien geknüpft wurden. Angesichts der erwartbaren Länge der Durststrecke hätte der Staat eine aktivere Rolle beim Umbau der Airline zu mehr Umweltfreundlichkeit einnehmen müssen.
Gleiches gilt für die staatlichen Milliardenkredite an Reisekonzerne wie Tui, deren Kreuzfahrten die CO2-Emissionen
in die Höhe treiben. Stahlkonzerne wie Thyssenkrupp stehen ebenfalls vor einer Transformation, hin zu fast CO2-neutralem „grünen“Stahl, der mithilfe von Wasserstoff erzeugt wird. Hier ist die Versuchung groß, Corona-Rettungshilfen zu geben, die als Umrüstungshilfen fungieren.
Davor sollte sich der Staat hüten, da sie beim Stopfen der Finanzlöcher versickern dürften. Thyssenkrupp muss sich erst selbst aus dem Sumpf herausziehen, in dem das Unternehmen sich zurechtschrumpft und Teile verkauft. Danach könnte der Staat über Anschubfinanzierungen für die ökologische Transformation nachdenken. Einfach nur mit Kohle wird der Stahl nicht überleben.
Denkbar wäre auch eine andere Lösung: Thyssenkrupp trennt sich vom Stahl, damit würde sich Deutschland weitestgehend aus der Stahlproduktion verabschieden. Eine Entscheidung, die das Unternehmen treffen müsste. Dafür aber muss es wissen, in welche Richtung der Staat gehen will, ob mit dessen Unterstützung hin zum „grünen“Stahl zu rechnen wäre. Der Staat ist ein schlechter Sanierer, wissen wir aus der Erfahrung mit der Treuhandanstalt nach der Wende. Davon sind wir zum Glück entfernt.
In Pandemien aber wird der Staat unweigerlich zu einem Hauptakteur, der nicht willkürlich, sondern wohlüberlegt die Logik seines Handelns definieren muss.