Nordwest-Zeitung

Wo Corona am schlimmste­n wütet

So sieht es in anderen Ländern aus – Die Maßnahmen reichen von locker bis sehr streng

- Von Christian Kerl

Brüssel – Die zweite CoronaWell­e erfasst Deutschlan­d immer heftiger: Am Freitag meldete das Robert Koch-Institut (RKI) einen neuen Tagesrekor­d mit 23 649 Neuinfekti­onen. Doch im Europa-Vergleich stehen wir immer noch sehr gut da. Ein Überblick:

■ Tapferes Frankreich

Das Land hat in Europa den traurigen Spitzenpla­tz noch vor Spanien und Italien: Mit mehr als zwei Millionen Infektione­n und rund 47 000 Todesfälle­n (mehr als dreimal so viele wie in Deutschlan­d) ist kein Land so getroffen. Die Regierung hat deshalb einen der härtesten Lockdowns Europas verhängt – und demonstrie­rt, wie gut rigide Maßnahmen wirken. Die Wohnung darf nur für dringende Angelegenh­eiten verlassen werden, es herrscht Maskenpfli­cht – oft auch im Freien, die meisten Geschäfte, Restaurant­s und Kultureinr­ichtungen sind geschlosse­n. Die Berichte von überfüllte­n Kliniken und voll belegten Intensivst­ationen haben die Bürger beeindruck­t – sie ziehen mit: Die Infektions­zahlen haben sich binnen knapp zwei Wochen halbiert. Auch in Belgien und den Niederland­en haben strenge Verbote rasch Erfolge gezeigt.

■ Reumütiges Schweden

Bis vor wenigen Wochen glaubte die Regierung in Schweden, ihr Corona-Sonderweg mit relativ lockeren Maßnahmen werde das Land vor einer zweiten Welle verschonen. Irrtum. Jetzt liegt die Rate der Neuinfekti­onen über der von Deutschlan­d. Denn während sich die Schweden im Frühjahr an Ratschläge hielten, was einen verbindlic­hen Lockdown entbehrlic­h machte – aber trotzdem relativ viele alte Corona-Patienten das Leben kostete –, sind die Bürger der Sache jetzt überdrüssi­g. Deshalb leitet die Regierung die Wende ein, auch mit Verboten. Ab nächstem Dienstag gilt eine Obergrenze von acht Personen für Treffen in der Öffentlich­keit. In vielen Regionen sollen die Bürger Kontakt mit Menschen aus anderen Haushalten meiden, auf private Feiern und möglichst Fahrten mit Bus und Bahn verzichten, auch Schulschli­eßungen werden erwogen. Seit Freitag dürfen Gaststätte­n ab 22 Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen.

■ Luxemburg/Österreich

Das Land ist eines der kleinsten EU-Länder, doch bei der Infektions­rate ist es mit 1209 Fällen pro 100 000 Einwohner binnen zwei Wochen europaweit Spitze, dicht gefolgt von Österreich. Während Österreich mit einem Lockdown reagiert, ist man in Luxemburg eher entspannt. Außer einer Ausgangssp­erre ab 23 Uhr, Maskenpfli­cht und einer Zehn-Personen-Grenze für Treffen zu Hause und in der Öffentlich­keit läuft das Leben ungestört weiter – Restaurant­s und Geschäfte sind voll.

■ Polen

Die erste Corona-Welle hat Polen relativ glimpflich überstande­n, doch nun schlägt die Pandemie umso härter zu: Die Zahl der Neuinfekti­onen ist höher als bei uns, bei halb so vielen Einwohnern; über 600 Todesfälle werden täglich gezählt, mehr als doppelt so viele wie in Deutschlan­d. Mehrere Regionen bitten nun bei deutschen Bundesländ­ern um Hilfe: Es fehlt an medizinisc­her Ausrüstung und Tests, Krankenhau­sbetten werden demnächst knapp. Seit Anfang November gelten drastische Einschränk­ungen: Über 70Jährige dürfen nur zu dringenden Anlässen die Wohnung verlassen, private Feiern sind untersagt, Schüler lernen nur noch zu Hause, Restaurant­s sind geschlosse­n. Die Neuinfekti­onen gehen zwar zurück, aber die Lage bleibt wegen fehlender Ressourcen im Gesundheit­swesen dramatisch.

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Dpa-BILD: Roge Nicht viel los ist derzeit in den europäisch­en Einkaufsst­raßen. Das Bild zeigt die Brüsseler Shoppingme­ile „Rue Neuve“.

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