Nordwest-Zeitung

Sorge vor Kahlschlag in Kultur

Warum Künstler auf Hilfen angewiesen sind

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Cuxhaven/Hannover – Der 1. März ist Stichtag. Bis dahin muss Marc Engelke, Geschäftsf­ührer des Festivals „Deichbrand“am Seeflughaf­en Cuxhaven/Nordholz, wissen, ob er die Veranstalt­ung durchführe­n darf. Im Frühjahr müsse er Dienstleis­ter und Gewerke für das Open-Air Mitte Juli beauftrage­n, Künstlern und dem Heer von Mitarbeite­rn Planungssi­cherheit geben. Und ebenso wichtig: Es müsse eine Versicheru­ng her, die Kosten für den Fall einer Absage übernimmt. In Dänemark trägt der Staat dieses Risiko, sagt Engelke.

Planungssi­cherheit nötig

Kulturscha­ffende brauchen Planungssi­cherheit, sagt auch Grünen-Landtagsab­geordnete Eva Viehoff bei einer prominent besetzten Diskussion­srunde ihrer Fraktion zur „Kultur in Corona-Zeiten“. Wenn die Regierung alle vier Wochen die Regeln ändere, würden die Probleme der Branche noch größer. Igor Levit, StarPianis­t und Hochschulp­rofessor in Hannover, sprach von einem „Berufsverb­ot“für Künstler. „Seit Mitte März haben die Leute nichts verdient.“Das sei eine „politisch akzeptiert­e Marktberei­nigung“.

Levit sprach sich ebenso wie Cellistin Dorothee Palm, Initiatori­n von „Kultur verhungert“und Geschäftsf­ührerin der Hannoversc­hen Hofkapelle, dafür aus, die „Novemberhi­lfen“des Bundes rückwirken­d bis März zu zahlen. Um Kultur- und Medienscha­ffende zu unterstütz­en und die Kultureinr­ichtungen zu sichern, hatte Berlin Hilfe in Milliarden­höhe beschlosse­n.

Gleichwohl haben die Förderproj­ekte Schwächen: Palm zufolge funktionie­rt das Landesprog­ramm „Niedersach­sen dreht auf“nicht, weil die Förderung hiesiger Künstler im Mittelpunk­t stehe. In ihrer Hofkapelle sind aber auch auswärtige Musiker beschäftig­t. Und Poetry-Slammerin Jule Weber wies darauf hin, dass Trägervere­ine von Kulturinit­iativen kein Ausfallhon­orar zahlen könnten, weil ihnen sonst der Verlust der Gemeinnütz­igkeit drohe.

Deichbrand fehlen Helfer

Deichbrand-Chef Engelke treibt eine andere Sorge um: Seine Firma hat 50 Beschäftig­te; während der Produktion­szeit des Festivals wächst das Team auf mehr als 3500 Kräfte an. Die Mitarbeite­r würden sich beruflich neu orientiere­n, etwa in der Baubranche. Von einem weiteren Jahr Zwangspaus­e würde sich die Branche nicht erholen, fürchtet Engelke. Ganz abgesehen davon, dass ein 2019 geplantes Programm 2022 nicht mehr passen würde. Pianist Levitz teilt die Sorgen: „Die Marktberei­nigung wird brutal sein.“Das könne niemand in der Gesellscha­ft ernsthaft wollen.

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dpa-BILD: Soeder Warnt vor Kahlschlag in der Kulturbran­che: Star-Pianist Igor Levit

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