Sorge vor Kahlschlag in Kultur
Warum Künstler auf Hilfen angewiesen sind
Cuxhaven/Hannover – Der 1. März ist Stichtag. Bis dahin muss Marc Engelke, Geschäftsführer des Festivals „Deichbrand“am Seeflughafen Cuxhaven/Nordholz, wissen, ob er die Veranstaltung durchführen darf. Im Frühjahr müsse er Dienstleister und Gewerke für das Open-Air Mitte Juli beauftragen, Künstlern und dem Heer von Mitarbeitern Planungssicherheit geben. Und ebenso wichtig: Es müsse eine Versicherung her, die Kosten für den Fall einer Absage übernimmt. In Dänemark trägt der Staat dieses Risiko, sagt Engelke.
Planungssicherheit nötig
Kulturschaffende brauchen Planungssicherheit, sagt auch Grünen-Landtagsabgeordnete Eva Viehoff bei einer prominent besetzten Diskussionsrunde ihrer Fraktion zur „Kultur in Corona-Zeiten“. Wenn die Regierung alle vier Wochen die Regeln ändere, würden die Probleme der Branche noch größer. Igor Levit, StarPianist und Hochschulprofessor in Hannover, sprach von einem „Berufsverbot“für Künstler. „Seit Mitte März haben die Leute nichts verdient.“Das sei eine „politisch akzeptierte Marktbereinigung“.
Levit sprach sich ebenso wie Cellistin Dorothee Palm, Initiatorin von „Kultur verhungert“und Geschäftsführerin der Hannoverschen Hofkapelle, dafür aus, die „Novemberhilfen“des Bundes rückwirkend bis März zu zahlen. Um Kultur- und Medienschaffende zu unterstützen und die Kultureinrichtungen zu sichern, hatte Berlin Hilfe in Milliardenhöhe beschlossen.
Gleichwohl haben die Förderprojekte Schwächen: Palm zufolge funktioniert das Landesprogramm „Niedersachsen dreht auf“nicht, weil die Förderung hiesiger Künstler im Mittelpunkt stehe. In ihrer Hofkapelle sind aber auch auswärtige Musiker beschäftigt. Und Poetry-Slammerin Jule Weber wies darauf hin, dass Trägervereine von Kulturinitiativen kein Ausfallhonorar zahlen könnten, weil ihnen sonst der Verlust der Gemeinnützigkeit drohe.
Deichbrand fehlen Helfer
Deichbrand-Chef Engelke treibt eine andere Sorge um: Seine Firma hat 50 Beschäftigte; während der Produktionszeit des Festivals wächst das Team auf mehr als 3500 Kräfte an. Die Mitarbeiter würden sich beruflich neu orientieren, etwa in der Baubranche. Von einem weiteren Jahr Zwangspause würde sich die Branche nicht erholen, fürchtet Engelke. Ganz abgesehen davon, dass ein 2019 geplantes Programm 2022 nicht mehr passen würde. Pianist Levitz teilt die Sorgen: „Die Marktbereinigung wird brutal sein.“Das könne niemand in der Gesellschaft ernsthaft wollen.