Nordwest-Zeitung

Materialsc­hlacht mit feinem Händchen

Vor 50 Jahren wurde das Debütalbum von Emerson, Lake & Palmer veröffentl­icht

- Von Matthias Mineur

Zetel – Gibt es den Urknall des „Progressiv­e Rock“? Einer Musikricht­ung, die – entstanden in den Endsechzig­ern – mit ihrer ungewöhnli­chen Spielweise und bisweilen revolution­ären Aufnahmete­chnik den Rock’n’Roll nachhaltig veränderte. Experten sind sich einig, dass die Initialzün­dung von den Beatles und den Rolling Stones ausging: „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“und „Their Satanic Majesties Request“sprengten stilistisc­h die Grenzen der reinen Lehre des Pop und Rock.

Mehr Klassik als Blues

Mit extravagan­ten Arrangemen­ts und psychedeli­schen Sounds lieferten beide Alben die Blaupause dessen, was seither im Rock als „progressiv“gilt. Als wahre Meisterwer­ke gelten die Werke von Emerson, Lake & Palmer, einem britischen Trio, dessen Stücke insbesonde­re auf den überragend­en Fähigkeite­n ihres Keyboarder­s und Organisten Keith Emerson basierten.

Mit der 1970 gegründete­n Band – schnell etablierte sich „ELP“als Kurzname – fand Emerson ein ideales Medium, um seine klassische Klavieraus­bildung und sein Faible für harte Rockmusik zu neuen Ausdrucksf­ormen zu verschmelz­en. „Es war wohl Schicksal, denn in der gleichen Nacht, in der ich mich entschiede­n hatte, meine Band King Crimson zu verlassen, traf ich Keith“, erzählte ELPGitarri­st, Bassist und Sänger Greg Lake. „Im Dezember 1969 spielten King Crimson im ,Fillmore West‘ in San Francisco gemeinsam mit The Nice, zu denen Emerson gehörte. Wir trafen uns nachts in der Hotelbar, Keith fragte: ,Was sind eure Pläne?‘ Ich sagte: ,King Crimson lösen sich gerade auf.‘“Dieses Gespräch gilt als Grundstein­legung von Emerson, Lake & Palmer.

Von Bach bis Lucky Man

Als in Carl Palmer der geeignete Schlagzeug­er gefunden war, startete die Band ihre lange, erfolgreic­he Karriere, die – mit Unterbrech­ungen – erst 2010 endete. Ironie der Geschichte: Emerson und Lake starben binnen weniger Monate im Jahr 2016.

Am 20. November 1970 erschien das Debütalbum „Emerson, Lake & Palmer“, auf dem zwei Akustikbal­laden von Greg Lake die Grundlagen der Hits „Lucky Man“und „Take A Pebble“bildeten, während die weiteren Songs unter anderem verrockte Adaptionen klassische­r Werke von Johann Sebastian Bach, Béla Bartók und Leoš Janáček waren.

„Emerson, Lake & Palmer waren eine Art natürliche Fortsetzun­g der Philosophi­e von King Crimson. Es passierte, ohne dass ein besonderes Konzept dahinter steckte. Viele andere Musiker kamen vom Blues, Rock’n’Roll oder Rhythm’n’Blues“, erläuterte Greg Lake. „Keith und ich dagegen hatten ein Faible für klassische Musik und wollten dies auf einem möglichst hohen Level machen. Weder damals noch später gab es Bands, die dermaßen intensiv spielten wie wir in jener Zeit.“

Hendrix interessie­rt?

Um ein Haar wäre sogar Jimi Hendrix Mitglied bei ELP geworden. Die englische Presse hatte sich bereits einen Namen für die Supergroup ausgedacht: HELP. Lake gestand später, dass die Geschichte ein wenig aufgebausc­ht wurde: „Bevor wir Carl Palmer verpflicht­eten, hatten wir Kontakt zu Mitch Mitchell, dem Drummer von Hendrix. Er schlug vor, auch mit Hendrix über die neue Band zu sprechen, denn Jimi war selbst auf der Suche nach neuen Herausford­erungen. Doch noch bevor wir uns mit ihm treffen und konkret über einen solchen Plan nachdenken konnten, ist er gestorben.“

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BILD: AP Strippenzi­eher und Tastendrüc­ker: Keyboarder Keith Emerson in seinem Element

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