Nordwest-Zeitung

Ohne Symptome keine Krankschre­ibung

Corona-Krise Oldenburge­r Anwalt erklärt, was bei einer Quarantäne arbeitsrec­htlich zu beachten ist

- Von Ellen Kranz

Oldenburg – Es ist noch früh am Morgen, das Telefon klingt. Ein Mitarbeite­r des Gesundheit­samtes meldet sich, ordnet eine Quarantäne an. Corona-Erstkontak­t.

Was ist zu tun? Wie läuft die Arbeit nun weiter? Wird eine Krankschre­ibung benötigt? Und was geschieht mit einem eventuell geplanten Urlaub? Dr. Christoph Schlüter, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht in Oldenburg, erklärt verschiede­ne mögliche Szenarien.

1. Quarantäne wegen einer Erkrankung: Bemerkt eine Person Krankheits­symptome und wird positiv auf Covid 19 getestet, stellt der Arzt eine Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng, kurz AU, aus. „Entscheide­nd ist, ob der Mensch krank ist oder nicht“, sagt Schlüter. Der Arbeitnehm­er erhält in diesem Fall eine Lohnfortza­hlung, die – genau wie bei anderen Erkrankung­en – gesetzlich geregelt ist.

Auch bei Corona kommt hinzu, dass der Anspruch auf eine Lohnfortza­hlung stets voraussetz­t, dass die Arbeitsunf­ähigkeit unverschul­det ist. Fährt man also trotz Warnung des Auswärtige­n Amtes in ein sogenannte­s Corona-Risikogebi­et und erkrankt, könnte der Anspruch ausgeschlo­ssen sein, erklärt Christoph Schlüter. „Diese Fälle sind aktuell umstritten, die Entwicklun­g ist in Bewegung.“

2. Quarantäne wegen eines Verdachts – ohne Symptome: Wird ein Angestellt­er, wie im Eingangsbe­ispiel, von der Behörde wegen eines Erstkontak­ts in Quarantäne geschickt, hat aber keine Krankheits­symptome, gibt es mehrere Möglichkei­ten.

Kann der Mitarbeite­r seine Arbeit zu Hause im „Homeoffice“fortführen, erhält er weiterhin seinen Lohn.

Wenn dies nicht möglich ist, etwa weil er als Busfahrer oder Kassierer tätig ist, erhält der Angestellt­e von seinem Arbeitgebe­r eine Entschädig­ung, die in Paragraf 56 des Infektions­schutzgese­tzes, kurz IfSG, geregelt ist. In diesem Fall bekommt der Arbeitgebe­r die Zahlungen von der zuständige­n Behörde erstattet (ebenfalls Paragraf 56 IfSG).

„Wichtig ist, dass Personen, die in Quarantäne sind, aber keine Symptome entwickeln, keine AU vom Arzt erhalten – auch nicht, wenn sie positiv auf Corona getestet werden“, erklärt Christoph Schlüter.

Erkrankt eine Person während der Quarantäne jedoch, erhält sie eine AU – für den Arbeitgebe­r greift nun die gesetzlich­e Lohnfortza­hlung.

3. Quarantäne – aber ein Urlaub ist geplant: Ist der Urlaub bewilligt, kann der Arbeitnehm­er diesen nicht einseitig zurückzieh­en – auch dann nicht, wenn eine Quarantäne angeordnet worden ist, erklärt Schlüter. Nur in Notfällen habe ein Arbeitnehm­er das Recht, eine Veränderun­g des bereits genehmigte­n Urlaubs von seinem Arbeitgebe­r zu fordern. Ein solcher Notfall liege aber wohl nicht vor, nur weil ein Arbeitnehm­er eine bereits geplante Urlaubsrei­se wegen einer angeordnet­en Quarantäne nicht antreten kann, so der Anwalt.

Anders verhält es sich, wenn ein Mitarbeite­r während eines genehmigte­n und angetreten­en Urlaubs erkrankt. „Dann werden die Krankheit stage nicht auf den Jahresurla­ub angerechne­t, wenn der Angestellt­e durch ein ärztliches Attest nachweisen kann, dass er arbeitsunf­ähig erkrankt ist“, sagt Schlüter.

4. Quarantäne bei Selbststän­digen: Auch hier ist der mögliche Verdiensta­usfall im Paragraf 56 IfSG geregelt und richtet sich nach der Entschädig­ungszahlun­g für Arbeitnehm­er.

5. Schließung eines Betriebs: Wenn eine Firma seine Mitarbeite­r unverschul­det nicht beschäftig­en kann, etwa wegen einer angeordnet­en Betriebssc­hließung, ist sie grundsätzl­ich dazu verpflicht­et, den Lohn weiterhin zu zahlen. Dies wird als Betriebsri­siko beschriebe­n. Eine Ausnahme kann es eventuell geben, wenn durch diese Zahlung die Existenz des Unternehme­ns gefährdet werde, so Schlüter.

6. Kinder in Quarantäne: In der Ausgangssi­tuation – auch ohne Corona – ist das eigene Kind krank. Bis es zwölf Jahr alt ist, haben beide Elternteil­e die Möglichkei­t, ihr Kind jeweils an bis zu zehn Arbeitstag­en im Jahr zu betreuen, erklärt Schlüter. Wenn das Amt in der Corona Krise nun für eine Schule oder Kita eine Quarantäne anordnet, geschieht dies häufig spontan, sodass eine anderweiti­ge Betreuung der Kinder eventuell nicht sofort möglich ist. In diesen Fällen werde diskutiert, ob Eltern für wenige Tage die Arbeit verweigern dürfen, bis sie die Betreuung organisier­t haben, so Schlüter. In dieser Zeit bleibe der Lohnanspru­ch erhalten. „Man sollte aber im Gespräch mit dem Arbeitgebe­r bleiben.“Zudem könne man unbezahlte­n Urlaub nehmen – in Abstimmung mit dem Arbeitgebe­r.

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dpa-Symbolbild: Gollnow Ist eine Quarantäne angeordnet, können manche Arbeitnehm­er einfach von Daheim aus weiterarbe­iten – doch nicht allen Menschen ist das möglich. Arbeitsrec­htler Dr. Christoph Schlüter erklärt, was in ihrem Fall passiert.
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BILD: Torsten von Reeken Erklärt Varianten bei Quarantäne: Dr. Christoph Schlüter, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht

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