Zum Croissant mit Madeleine
Buchvorstellung Andreas Bahlmann bringt „Amour bleu“bei Contra-Bass heraus
Oldenburg – Mann Mann Mann. Warum ist Gottfried nicht bei Madeleine geblieben, der Leser hätte sich das sehr, sehr gewünscht. Zu tief hat er sich mit ’reinziehen lassen in diese kleine Liebesgeschichte auf einem Campingplatz irgendwo in Frankreich. Was kann man als Autor Schöneres erreichen? Der Oldenburger Andreas Bahlmann schafft das in seinem Roadmovie „Amour bleu“, dank einer präzisen Sprache, anschaulich und sensibel zugleich.
Der Profimusiker, dem durch Corona in diesem Jahr alle Konzerttermine geplatzt sind, hat die auferlegte Pause kreativ genutzt: für eine Fahrt in den Süden, mitten in die 80er, als Bahlmann dort lebte, Basislager Paris. Gottfried erzählt seine eigene Geschichte
– autobiografische Parallelen dürfen vermutet werden. Bahlmann verzichtet auf schnelle Schnitte, „Amour bleu“schaukelt im Tempo der Dyane in der heißen Sonne eines französischen Sommers, die Fenster sind heruntergekurbelt, warme Luft umweht Fahrer, Beifahrerin und den Leser auf der Rückbank. Und hadert auch immer mal wieder mit diesem Gottfried und seiner leicht beziehungsgestörten Art. Aber er sitzt direkt hinter ihm.
Gottfried reist ohne Ziel, nach der Trennung von seiner großen Liebe, auf der Flucht vor dem Kummer. Aber der Schmerz des Verlustes begleitet ihn, momentweise getröstet durch die Musik aus dem Kassettenrekorder. Seinen Weg kreuzen die unterschiedlichsten Typen, und weil er offen und neugierig ist, erzählen sie ihm ihre Geschichte. Er reist von der Normandie nach Biarritz und trifft im Waschsalon eines Campingplatzes auf seine neue große Liebe, Madeleine. Aber mit seiner Fähigkeit zu vertrauen, ist es nicht weit her. Er reist ab, zum Mittelmeer und wieder nach Norden. Die Menschen, denen er begegnet, zeigen ihm, wie sie mit ihrem Unglück umgehen und wie sie sich auf das Glück einer großen Liebe einlassen.
Andreas Bahlmanns ReiseRoman durch Frankreich ist witzig, schrill, traurig und anrührend, und wird mit eingängigen Rock- und Pop-Klängen untermalt. Denn dieses Roadmovie ist so schön orchestriert, wie das vielleicht nur ein Musiker kann. Der Leser wird spontan oder wenn er das Buch am Ende zugeklappt hat, mehr als einen der Titel, die ihn schon auf der Rückbank umflutet haben, auf den Plattenteller legen, zur Not auch bei Youtube suchen, eine Liste ist dabei: „Harvest“von Neil Young zum Beispiel. Und die Szene aus dem Buch wird wieder aufsteigen, oder irgendeine andere Szene, ein Gefühl aus dem eigenen, vergangenen Leben. Und es wird sich hervorragend anfühlen.
„Amour bleu“ist gut lesbar, wie schon Bahlmanns Erstling „Red House“. Man will wissen, wie sich die Geschichte entwickelt. Die eher untypische Ich-Form verstärkt die Ehrlichkeit und Echtheit weiter Teile dieses intensiven (Beziehungs-)-Sommers in Frankreich. Nur eine Frage bleibt: Wie konnte Gottfried Madeleine sitzen lassen?
■ Andreas Bahlmann, Amour bleu, Edition ContraBass, 235 Seiten, 16 Euro, als EBook 9,99 Euro.