Nordwest-Zeitung

Leseschwäc­he mit Spiel erkennen

Computersp­iel von Prof. Dr. Maria Rauschenbe­rger macht es möglich

- Von Heidi Scharvogel

Emden/Oldenburg – Dr. Maria Rauschenbe­rger hat ein Computersp­iel entwickelt, mit dem bereits vor der Einschulun­g eine Lese-/ Rechtschre­ibschwäche bei Kindern festgestel­lt werden kann. Sie ist selbst Legastheni­kerin und seit 1. Oktober Professori­n an der Hochschule Emden/Leer.

Ihr eigener Schulstart ist alles andere als glatt gelaufen. „Zum Glück ist meine Mutter drangeblie­ben. Sie wusste: Das Kind ist nicht doof. Deshalb hat sie sich überall durchgefra­gt“, berichtet Maria Rauschenbe­rger. „So stellte sich Ende der ersten Klasse heraus, dass ich eine Lese-/ Rechtschre­ibschwäche (LRS) habe.“

Einerseits war die Diagnose eine Erleichter­ung für ihre Eltern, endlich wussten sie was der Grund für die Schulprobl­eme war. Anderersei­ts machten sie sich Sorgen: Wie sollte sich ihre Tochter in einer Gesellscha­ft zurechtfin­den, in der Lesen und Schreiben so wichtig ist? Mit individuel­ler Unterstütz­ung. „Eine Förderlehr­erin hat intensiv mit mir gelernt. Sie hat immer überlegt, wie sie mich fördern kann, ohne mich zu überforder­n und sie hat mir Kompensati­onsstrateg­ien an die Hand gegeben“, erinnert sich die Professori­n.

Benutzerfr­eundlicher

Heute merken auch Kollegen nicht mehr, dass sie Legastheni­kerin ist. „Als ich meinen Arbeitssch­werpunkt auf die Forschung zu LRS gelegt habe, fragten viele von ihnen: Warum das denn?!“, erzählt Maria Rauschenbe­rger. Denn nach dem Bachelor-Studium in Medientech­nik an der Hochschule Emden/Leer und dem Master in Medieninfo­rmatik beschäftig­te sie sich mit vielverspr­echenden Themen, wie etwa der Verbesseru­ng von Schiffsman­övern im Hafen oder Benutzerfr­eundlichke­it

von Enterprise Software. Sie war in der freien Wirtschaft tätig, forschte am Offis-Institut in Oldenburg und am MaxPlanck-Insitut in Saarbrücke­n.

„Das hat mir alles Spaß gemacht und interessie­rt mich nach wie vor. Neue Erkenntnis­se im Bereich LRS waren damals nur ein Hobby. Aber durch die Arbeit mit Prof. Dr. Jörg Thomaschew­ski und Prof. Dr. Luz Rello habe ich gemerkt, wie wichtig mir die LRS-Forschung ist und wie viel ich einbringen kann, weil ich selbst betroffen bin“, sagt Maria Rauschenbe­rger.

In ihr reifte der Plan, als Promotion ein Computersp­iel zu entwickeln, mit dem bei Kindern eine Lese-/Schreibsch­wäche festgestel­lt werden kann. „In Deutschlan­d habe ich keine Unterstütz­er für mein Forschungs­vorhaben gefunden. Es hat niemand dran geglaubt, dass das funktionie­rt. Aber an der Universitä­t Pompeu Fabra in Barcelona

habe ich Betreuer gefunden und konnte dort dank eines Stipendium­s meine Doktorarbe­it schreiben.“

Mehrfach ausgezeich­net

Kinder mit und ohne LRS zu finden, die das Computersp­iel testeten, sei nicht einfach gewesen. „Dass ich den Deutschen Lesepreis bekommen habe, hat sehr geholfen. Außerdem habe ich damals auf Facebook eine Gruppe zum Thema Legastheni­e gegründet. Diese wächst inzwischen von ganz allein. Eltern, Lehrer und Betroffene aus dem ganzen Land tauschen sich dort aus. Das ist wichtig, denn die Regelungen zu Nachteilsa­usgleichen, Testverfah­ren und so weiter sind Ländersach­e und ziemlich unterschie­dlich.“

Für ihr Computersp­iel zur Früherkenn­ung einer LRS wurde Maria Rauschenbe­rger kürzlich mit dem 2. Platz des

Helene-Lange-Preis der EWEStiftun­g und des Offis-Instituts ausgezeich­net. Eine Stärke des Spiels ist, dass es auch Kinder absolviere­n können, die noch nicht lesen und schreiben lernen. Denn je früher eine LRS erkannt wird, desto besser. „Wird die Diagnose erst spät gestellt, sind viele bereits frustriert“, erklärt Maria Rauschenbe­rger.

Ihre eigene Lernmotiva­tion hatte in der Grundschul­zeit noch nicht gelitten, da ihre Legastheni­e früh erkannt wurde. Jetzt will sie anderen helfen, die gleiche Chance zu haben. Dass dies von Emden aus möglich ist, freut sie besonders: „Es ist sehr nett, wieder in der Region zu sein. Meine Kollegen haben mich sehr warm empfangen. Auch einige Lehrer und Eltern haben sich wieder bei mir gemeldet.“

@ www.maria.rauschenbe­rger.net

www.facebook.com/groups/ GermanDysl­exia/

Ein Fragebogen muss keineswegs amtlich oder gar vertraulic­h sein. Nicht allein der französisc­he Schriftste­ller Marcel Proust füllte in seinem Leben gleich mehrmals denselben aus – nur zum Vergnügen. Prominente Persönlich­keiten aus nah und fern beantworte­n dieser Zeitung die heiteren, vielleicht auch heiklen Fragen.

Viel Spaß bei der Lektüre!

 ?? BILD: Maria Rauschenbe­rger,Janina Rahn, www.jarahn.de ?? Kinder der Grundschul­e Ofenerdiek testen das Computersp­iel mit (v. li.) Maria Rauschenbe­rger, Grundschul­lehrerin Frederike Hansch und Angelika Jobst, Leiterin der Stadtteilb­ibliothek.
BILD: Maria Rauschenbe­rger,Janina Rahn, www.jarahn.de Kinder der Grundschul­e Ofenerdiek testen das Computersp­iel mit (v. li.) Maria Rauschenbe­rger, Grundschul­lehrerin Frederike Hansch und Angelika Jobst, Leiterin der Stadtteilb­ibliothek.

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