Welche Grundrechte wiegen schwerer?
Betrifft: „Beschränkungen sind notwendig – Gastbeitrag: Polizeipräsident Johann Kühme über Demos und ein Corona-Dilemma“, Meinung, 16. November
Ihren „Gastbeitrag“hätten Sie besser als Leserbrief eines engagierten Bürgers veröffentlichen sollen, als hier unter Benutzung Ihres Titels „Polizeipräsident“mangelhaftes Rechtsverständnis zu offenbaren.
Zum einen scheinen Sie nicht während Ihrer Ausbildung zum Polizeibeamten gelernt zu haben, dass Grundrechte den Freiheitsraum des Einzelnen vor Übergriffen der öffentlichen Gewalt schützen, es somit Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat sind, zum anderen aber als Rechtsgrundsatz gilt, dass kein Grundrecht dazu missbraucht werden darf, andere Grundrechte aufzuheben.
Außerdem, wie soll das Grundgesetz das „Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gewährleisten können? „Gewährleisten“kann ein Mensch beziehungsweise der Staat als menschliche Institution nur, worüber er verfügt, also ursächlich bestimmende Macht hat: Dazu gehört aber weder das Leben noch die körperliche Unversehrtheit oder Gesundheit, die als rein physisch-biologische Gegebenheiten weitgehend dem eigenverantwortlichen Handeln des Einzelnen überantwortet und vom Staate nur im Ausmaße seiner Möglichkeiten zu schützen sind. Sowenig es Sache des Staates ist, den Einzelnen vor Unfällen zu schützen, sowenig vor Krankheiten und Infektionen.
Ein Demonstrationsverbot, dass Sie (...) präferieren würden und sicherlich als angemessen sehen, wird von der Justiz verworfen – ebenso, wie eine Demonstration nicht verboten werden kann, weil vielleicht, (unter Umständen oder möglicherweise!) Steine geworfen werden oder vielleicht (unter Umständen oder möglicherweise!) eine Ansteckung mit irgendetwas erfolgen kann.
(...) Alles in allem spricht Ihnen sicherlich keiner eine eigene Meinung ab, die sie auch öffentlich kundtun können. Sie aber benutzen Ihr Amt und die damit verbundene Autorität, um an die Öffentlichkeit zu treten und Ihre persönliche Meinung zu äußern. Ich darf Sie vielleicht an Ihre Neutralitätspflicht und Mäßigungspflicht als Polizeibeamter erinnern (...).
Rolf-Peter Koetsch Oldenburg
Halleluja – wie erstaunt war ich doch von dem Kommentar
„Grundrechte sind keine Schönwetterrechte“von Dr. Will. Am Ende war ich bitter enttäuscht von diesem Kommentar, der lediglich auf dieses eine Grundrecht abstellt und alles andere ausblendet. Schockiert war ich auch von der Annahme, das Grundrecht auf Demonstrationen werde „ausgehöhlt“. Davon kann doch beileibe keine Rede sein! Wie gut war doch dagegen der Gastbeitrag des Polizeipräsidenten Kühme. Der hat auch andere Grundrechte gegenüber dem einen der Versammlungsfreiheit beleuchtet und ist dann zu dem meiner Meinung nach einzig denkbaren Schluss gekommen: Die Versammlungsfreiheit muss derzeit hinter dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
– sicherlich zeitlich limitiert – zurückstehen. Noch einmal: Inhaltlich hätte ich diesen Kommentar Herrn Dr. Will nicht zugetraut. Aber mindestens ebenso schockiert bin ich von der Entscheidung der Richter des sächsischen Oberverwaltungsgerichtes: Sind diese denn vollkommen weltfremd? Haben sie ernsthaft angenommen, dass die Versammlung entsprechend der ergangenen Auflagen verlaufen würde? Verstehen kann ich auch nicht die Stimmen, die dann nachträglich der Polizei absolutes Versagen vorgeworfen haben: Was hätte denn die Polizei machen sollen? Gegen einen solchen Mob hätte man doch nur noch mit „schwerem Gerät“vorgehen können. Und die Stimmen danach hätte ich dann hören mögen!
Gerhard D. Klockgether Rastede
Ihrem Beitrag in der heutigen kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Ich hoffe, dass er bei vielen Lesern des unglaublichen Kommentars von Alexander Will Beachtung findet. Da Herr Will dank seiner Funktion und seines Kommentars den Corona-Kritikern in die Hände spielt, war Ihr Statement umso wichtiger.
Ich wünsche Ihnen und der gesamten Polizei viel Erfolg bei ihren schwierigen Aufgaben durch die Pandemie.
Gerald Pollack Oldenburg