Kritik am Einsatz von Reserve-Antibiotika in der Tierhaltung
Betrifft: „Fehlentwicklung bei Reserve-Antibiotika erkannt – Landwirtschaft: Diskussion um Notwendigkeit der Mittel bei Nutztieren – Ärztin kritisiert Bedingungen“, Im Norden, 12. November
Hier wird deutlich, dass der Kapitalismus auch menschenverachtende Züge aufweist. Industrielle Tierhaltung (damit billig viel Fleisch produziert werden kann) erscheint vorrangig gegenüber dem Wohl der Menschen zu sein, die dann bald an profanen bakteriellen Infektionen sterben werden, weil kein Antibiotika mehr wirkt. Auch die Pharmaindustrie ist mitschuldig, weil sie keine neuen Antibiotika entwickelt und sich stattdessen gewinnmaximierend auf andere Medikamente fixiert. Ich frage mich auch, was in den letzten Jahren unser Gesundheits-, Verbraucherschutzund Justizministerium gegen den Einsatz von Reserveantibiotika
in der Tierhaltung getan hat. Offensichtlich hat die Lobby der Fleischindustrie auch hier gut gearbeitet.
Enno Sandner Wardenburg
Dass immer noch ReserveAntibiotika in der Tierhaltung eingesetzt werden, ist ein fortwährender Skandal! Die Corona-Pandemie zeigt uns gerade eindrücklich, wie dringend wirksame Medikamente benötigt werden. Reserve-Antibiotika sind eine der wirkungsvollsten „Waffen“der modernen Medizin. Diese wird in den Ställen gerade unwirksam gemacht. Eine Studie der Verbraucherschutzorganisationen Germanwatch und „Ärzte gegen Massentierhaltung“vom Oktober 2020 hat ergeben, dass jede zweite Hähnchenfleischprobe aus den drei größten Geflügelkonzernen
Europas mit Resistenzen gegen Antibiotika belastet ist. Mehr als jedes dritte Hähnchen schleppt sogar Krankheitserreger mit Resistenzen gegen Reserveantibiotika in die Lebensmittelkette ein. (...)
Die höchste Kontaminationsrate wiesen dabei die Proben des Geflügelkonzerns PHW (Wiesenhof) auf. Diese alarmierenden Befunde, die die Ergebnisse ähnlicher Studien aus den vergangenen Jahren bestätigen, zeigen klar, dass uns freiwillige Maßnahmen der Tierhalter nicht weiterbringen.
Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner muss endlich den Einsatz von ReserveAntibiotika im Stall verbieten.
Dr. Peter Sauer Bremen
Antibiotika und insbesondere Reserve-Antibiotika gehören absolut nicht in die
Massentierhaltung. Wie kommt es zur Verwendung von weit über 1000 Tonnen Antibiotika in der industriellen Tierhaltung? Qualzüchtungen und auf Effizienz getrimmte grausame Haltebedingungen sind dafür verantwortlich. Obwohl seit 2002 Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz steht, ist Tierquälerei in der deutschen Landwirtschaft an der Tagesordnung.
Dazu Dr. Sabine Petermann vom „Laves“zur Geflügelmast: „Es handelt sich um Kreaturen mit dem Skelett eines Babys und mit dem Gewicht eines Sumo-Ringers“. Langanhaltende Schmerzen sind die Folgen. Antibiotika sind auch Wachstumsbeschleuniger. Schnelleres Wachstum bringt mehr Geld für Tierhalter und für Tierärzte, die Antibiotika verkaufen. Sie sind die idealen Partner einer Landwirtschaft, die von den Produkten der pharmazeutischen und chemischen Industrie abhängig geworden ist.
Multiresistente Keime werden durch tierische Lebensmittel, durch Aerosole, Gülle etc. auf Menschen übertragen. Nach der WHO haben MRSAPatienten ein um 64 Prozent erhöhtes Risiko zu versterben.
Dazu der Mikrobiologe Frank Kipp von der Universitätsklinik Münster: „Wir sind als Region mit hoher Nutztierdichte besonders betroffen. Wir haben beispielsweise durch diese tierassoziierten MRSA, die deutschlandweit bei ein bis zwei Prozent aller MRSA liegen, einen Anteil bei unseren Patienten am Universitätsklinikum von rund 30 Prozent.“
Es ist wahrscheinlich, dass sich aus der Verbindung verschiedener MRSA-Stämme aus der Tierhaltung und aus den Krankenhäusern ein panresistenter Superkeim entwickelt. Die UN spricht von einem postantibiotischem Zeitalter.
Was dagegen ist schon Corona? Hier werden neue Medikamente und Impfstoffe entwickelt, bei multiresistenten Keimen werden wirksame Antibiotika ohne Not zweckentfremdet. Wer ist dafür verantwortlich?
Frank Poppe Wildeshausen