Nordwest-Zeitung

Parteitag aus dem Wohnzimmer

Grundsatzp­rogramm So stellen sich die Grünen vor dem Wahljahr neu auf

- Von Teresa Dapp Und Martina Herzog

Digital – und doch ziemlich heimelig: Die beiden Grünen-Vorsitzend­en Robert Habeck und Annalena Baerbock unterhalte­n sich beim digitalen Bundespart­eitag im sogenannte­n Wohnzimmer.

Berlin – Es brauchte zahllose Abstimmung­en, Redebeiträ­ge aus Delegierte­n-Wohnzimmer­n und etliche Überstunde­n – doch am Sonntagnac­hmittag nahm der dreitätige digitale Grünen-Parteitag ein neues Grundsatzp­rogramm an, das vierte in vier Jahrzehnte­n. Dabei geht es nicht um detaillier­te Forderunge­n für die Bundestags­wahl im Herbst 2021, die werden erst im kommenden Jahr beschlosse­n. Das Programm soll die kommenden 15 bis 20 Jahre gültig bleiben. Einige Kernpunkte:

■ KLIMA

„Zentrale Grundlage“für die Politik der Grünen sind das Klimaabkom­men von Paris und der Bericht des Weltklimar­ats: Es geht darum, die Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustr­iellen Zeitalter zu begrenzen. Experten zufolge wären die Risiken

für schwerste Schäden im Ökosystem bei 1,5 Grad deutlich geringer als bei 2 Grad Erderwärmu­ng, allerdings halten viele das für kaum noch erreichbar. Teile der Basis und die Klimaschut­zbewegung hatten von den Grünen ein stärkeres Bekenntnis zum 1,5Grad-Ziel gefordert.

■ GENTECHNIK

Von ihrer pauschalen Ablehnung der Gentechnik in der Landwirtsc­haft rücken die Grünen etwas ab. Sie betonen, dass auch in diesem Bereich die „Freiheit der Forschung zu gewährleis­ten“sei. „Nicht die Technologi­e, sondern ihre Chancen, Risiken und Folgen stehen im Zentrum.“

■ BILDUNG

Schulen und Kitas sollen kostenlos werden, außerdem Lernmittel, einschließ­lich digitaler Endgeräte, benötigter Software und Internetzu­gang. Endgeräte können zum Beispiel

Tablets oder Laptops sein. Außerdem soll es einen nicht zurückzuza­hlenden staatliche­n Bildungszu­schuss geben, der von Eltern, Alter und Leistungen unabhängig ist.

■ WAHLEN und BÜRGERBETE­ILIGUNG

Das Wahlalter soll auch im Bund sinken, ohne eine klare Festlegung wie weit. Die Grünen wollen „Wahlhürden schrittwei­se abbauen, das Wahlalter deutlich absenken und weitere Beteiligun­gsmöglichk­eiten auf allen Ebenen ausbauen“. Menschen sollen zudem in Bürgerräte­n Empfehlung­en zu konkreten Fragen erarbeiten, mit denen sich Regierung und Parlament dann auseinande­rsetzen, die sie aber nicht binden.

■ EXISTENZSI­CHERUNG

Die „Garantiesi­cherung“soll aus Sicht der Grünen Hartz IV ersetzen. „Sie schützt vor Armut

und garantiert ohne Sanktionen das soziokultu­relle Existenzmi­nimum“, heißt es dazu. Die Sicherung soll „ohne weitere Bedingunge­n für jeden Menschen gelten, dessen eigene finanziell­e Mittel nicht ausreichen“– also nicht völlig bedingungs­los gezahlt werden. Dennoch erklären die Grünen auch: „Dabei orientiere­n wir uns an der Leitidee eines Bedingungs­losen Grundeinko­mmens.“

■ WIRTSCHAFT

Ziel ist für die Grünen eine „sozial-ökologisch­e Marktwirts­chaft“. Dazu gehört für die Partei eine Orientieru­ng am Gemeinwohl. Wachstum, Effizienz, Wettbewerb und Innovation sind keine Ziele in sich, sondern „Mittel zum Zweck“. „Wirtschaft­swachstum ist nicht per se das Problem, die mit Wachstumsz­wängen einhergehe­nde Übernutzun­g natürliche­r Ressourcen und Ausbeutung menschlich­er Arbeitskra­ft schon.“

 ?? Dpa-BILD: Nietfeld ??
Dpa-BILD: Nietfeld

Newspapers in German

Newspapers from Germany