Das erste Papst-Treffen war in Oldenburg
Besuche bei Großeltern prägen Vatikan-Journalisten Englisch – Neues Buch beschreibt Machtkampf
Oldenburg/Rom – Andreas Englisch schreibt seit mehr als 30 Jahren über den Vatikan. Als Journalist, Buchautor und gefragter Redner lässt der 57Jährige die Öffentlichkeit an Prunk und Pracht, an Konflikten und Krisen im kleinsten Staat der Welt teilhaben. International bekannt wurde Englisch, als er 2012, ein Jahr vor dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI., diesen spektakulären Schritt vorhersagte.
In Oldenburg ist Englisch den Päpsten erstmals begegnet. Genauer gesagt: im Schlafzimmer der Großeltern. Als Kind verbrachte der Junge, der im nordrhein-westfälischen Werl aufgewachsen ist, die Sommerferien oft in Oldenburg bei Opa und Oma.
Oma „superkatholisch“
„Meine Großmutter war superkatholisch“, erzählt Englisch. „In der Wohnung hing ein Foto des jeweiligen Papstes. Die Großeltern sprachen ehrerbietig über ihn, und in ihrer weißen Kleidung und erhabenen Gesichtszügen faszinierten mich die Männer.“Sein berufliches Interesse an Rom und am Vatikan habe in Oldenburg seinen Ursprung.
Die Großeltern waren nach dem Krieg aus dem schlesischen Comeise vertrieben worden und in Oldenburg gelandet. Zuerst in den AuffangJahren
Nahe dran: Andreas Englisch beobachtet seit Jahren die Päpste aus nächster Nähe. Unser Foto zeigt den Vatikan-Journalisten mit Franziskus an Bord der Papstmaschine.
lagern gegenüber dem heutigen Kulturzentrum PFL und auf der Dobbenwiese. Später fand die Familie an der Haarentorschule und zuletzt am Johann-Justus-Weg eine neue Heimat. Englischs Onkel Josef Hirmer lebt in Petersfehn.
Den Kontakt zum Oldenburger Land hat Andreas Englisch bis heute nicht verloren. „In keiner Region in Deutschland habe ich mehr Auftritte als hier.“Erst im Oktober sprach Englisch auf Einladung
des Wirtschaftsverbandes Familienunternehmer in der Region im Alten Landtag.
Machtkampf eskaliert
Gebannt beobachtet Englisch die Eskalation des Machtkampfes im Vatikan. Die Neuerungen seit der Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio 2013 zu Papst Franziskus haben erbitterte Gegenwehr ausgelöst. In seinem neuen Buch „Der Pakt gegen den
Papst“beschreibt Englisch, wie konservative Kräfte Franziskus bekämpfen und das Pontifikat so bald wie möglich beendet sehen wollen. Der vom Vatikan-Establishment als Zerstörung erlebte Umgang Franziskus’ mit Traditionen ist äußerer Ausdruck eines radikal neuen Kirchenbildes des ersten Nichteuropäers an der Vatikan-Spitze.
Spannend wie ein Krimi liest sich der Zusammenprall von „alt“und „neu“. Nach 30
in Rom hat der Autor genügend Einblicke, um die demonstrierte Harmonie zwischen Benedikt XVI. und seinem Nachfolger als Fassade zu entlarven. Englisch zeigt nicht nur, wer Franziskus offen widerspricht. Der Autor analysiert auch, wie die Gegner zum Beispiel den Skandal um verlustreiche Londoner Immobilienspekulationen instrumentalisieren, um Franziskus ins Messer laufen zu lassen.
Das Buch ist anschaulich geschrieben. Auch Außenstehende kommen gut mit. Von der ersten Seite an ist klar, dass der Autor auf der Seite des Papstes steht. Hier liegt eine Schwäche des Buches. Benedikt XVI. kommt als praxisferner, menschenscheuer Papst, der Fragen der Basis ignoriert, schlecht weg. Für den brillanten Theologen Ratzinger hat Englisch wenig übrig.
Umgekehrt geht der Autor nicht auf die kritischen Anfragen an Franziskus ein, die wegen widersprüchlicher Entscheidungen und halbherziger Reformschritte zunehmend auch Anhänger stellen.
Die Entwicklungsbögen, die Englisch nachzeichnet, seine spannenden Analysen und überraschenden Detailkenntnisse zeichnen das Buch aus. Für alle, die beim Machtkampf mitfiebern: unbedingt lesen!
„Der Pakt gegen den Papst“, Andreas Englisch, ISBN 3570103684, Bertelsmann 2020, 416 S, 22 Euro.