Nordwest-Zeitung

Das erste Papst-Treffen war in Oldenburg

Besuche bei Großeltern prägen Vatikan-Journalist­en Englisch – Neues Buch beschreibt Machtkampf

- Von Christoph Kiefer

Oldenburg/Rom – Andreas Englisch schreibt seit mehr als 30 Jahren über den Vatikan. Als Journalist, Buchautor und gefragter Redner lässt der 57Jährige die Öffentlich­keit an Prunk und Pracht, an Konflikten und Krisen im kleinsten Staat der Welt teilhaben. Internatio­nal bekannt wurde Englisch, als er 2012, ein Jahr vor dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI., diesen spektakulä­ren Schritt vorhersagt­e.

In Oldenburg ist Englisch den Päpsten erstmals begegnet. Genauer gesagt: im Schlafzimm­er der Großeltern. Als Kind verbrachte der Junge, der im nordrhein-westfälisc­hen Werl aufgewachs­en ist, die Sommerferi­en oft in Oldenburg bei Opa und Oma.

Oma „superkatho­lisch“

„Meine Großmutter war superkatho­lisch“, erzählt Englisch. „In der Wohnung hing ein Foto des jeweiligen Papstes. Die Großeltern sprachen ehrerbieti­g über ihn, und in ihrer weißen Kleidung und erhabenen Gesichtszü­gen fasziniert­en mich die Männer.“Sein berufliche­s Interesse an Rom und am Vatikan habe in Oldenburg seinen Ursprung.

Die Großeltern waren nach dem Krieg aus dem schlesisch­en Comeise vertrieben worden und in Oldenburg gelandet. Zuerst in den AuffangJah­ren

Nahe dran: Andreas Englisch beobachtet seit Jahren die Päpste aus nächster Nähe. Unser Foto zeigt den Vatikan-Journalist­en mit Franziskus an Bord der Papstmasch­ine.

lagern gegenüber dem heutigen Kulturzent­rum PFL und auf der Dobbenwies­e. Später fand die Familie an der Haarentors­chule und zuletzt am Johann-Justus-Weg eine neue Heimat. Englischs Onkel Josef Hirmer lebt in Petersfehn.

Den Kontakt zum Oldenburge­r Land hat Andreas Englisch bis heute nicht verloren. „In keiner Region in Deutschlan­d habe ich mehr Auftritte als hier.“Erst im Oktober sprach Englisch auf Einladung

des Wirtschaft­sverbandes Familienun­ternehmer in der Region im Alten Landtag.

Machtkampf eskaliert

Gebannt beobachtet Englisch die Eskalation des Machtkampf­es im Vatikan. Die Neuerungen seit der Wahl des Argentinie­rs Jorge Mario Bergoglio 2013 zu Papst Franziskus haben erbitterte Gegenwehr ausgelöst. In seinem neuen Buch „Der Pakt gegen den

Papst“beschreibt Englisch, wie konservati­ve Kräfte Franziskus bekämpfen und das Pontifikat so bald wie möglich beendet sehen wollen. Der vom Vatikan-Establishm­ent als Zerstörung erlebte Umgang Franziskus’ mit Traditione­n ist äußerer Ausdruck eines radikal neuen Kirchenbil­des des ersten Nichteurop­äers an der Vatikan-Spitze.

Spannend wie ein Krimi liest sich der Zusammenpr­all von „alt“und „neu“. Nach 30

in Rom hat der Autor genügend Einblicke, um die demonstrie­rte Harmonie zwischen Benedikt XVI. und seinem Nachfolger als Fassade zu entlarven. Englisch zeigt nicht nur, wer Franziskus offen widerspric­ht. Der Autor analysiert auch, wie die Gegner zum Beispiel den Skandal um verlustrei­che Londoner Immobilien­spekulatio­nen instrument­alisieren, um Franziskus ins Messer laufen zu lassen.

Das Buch ist anschaulic­h geschriebe­n. Auch Außenstehe­nde kommen gut mit. Von der ersten Seite an ist klar, dass der Autor auf der Seite des Papstes steht. Hier liegt eine Schwäche des Buches. Benedikt XVI. kommt als praxisfern­er, menschensc­heuer Papst, der Fragen der Basis ignoriert, schlecht weg. Für den brillanten Theologen Ratzinger hat Englisch wenig übrig.

Umgekehrt geht der Autor nicht auf die kritischen Anfragen an Franziskus ein, die wegen widersprüc­hlicher Entscheidu­ngen und halbherzig­er Reformschr­itte zunehmend auch Anhänger stellen.

Die Entwicklun­gsbögen, die Englisch nachzeichn­et, seine spannenden Analysen und überrasche­nden Detailkenn­tnisse zeichnen das Buch aus. Für alle, die beim Machtkampf mitfiebern: unbedingt lesen!

„Der Pakt gegen den Papst“, Andreas Englisch, ISBN 3570103684, Bertelsman­n 2020, 416 S, 22 Euro.

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BILD: privat

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