Häftlinge bauen Kinderspielplätze
Gefangene der JVA Bielefeld-Senne bringen jeden Samstag Spielplätze auf Vordermann
„Tatort“-Schauspieler Axel Prahl (60) verspürt in der Corona-Krise keine Angst. „Aber ein gewisses Unwohlsein, weil dieses Virus unsichtbar ist“, sagte Prahl bei Dreharbeiten in Köln. Derzeit werden für den 39. „Münster“-Tatort die letzten Szenen gedreht, ausgestrahlt wird die Folge „Wer du wirklich bist“in der ersten Jahreshälfte 2021. Am 13. Dezember ist „Es lebe der König“in der ARD zu sehen. Dazu wurde im Sommer unter verschärften Hygiene-Bedingungen gedreht. „Da waren wir etwa drei Wochen in einem Wasserschloss kaserniert, aber wir hatten ein gewisses Urlaubsgefühl. Aber natürlich sind da die Einschränkungen, wie Requisiten weitergegeben werden und Abstand zu halten. All das zu gewährleisten, das macht die Sache deutlich komplizierter“, sagte Prahl.
Rapper Smudo (52) hat es während der Coronakrise im Frühjahr genossen, nicht dauernd unterwegs zu sein. „Ich habe auch wie viele da draußen gelernt, dass man gar nicht für alles raus muss“, sagte er in Hamburg. Er sei sich aber auch seiner privilegierten Situation bewusst. „Klar habe ich ein Polster und kann überwintern. Aber ich kenne Leute, denen geht es richtig beschissen. Ich verstehe, dass die auch eine Wut kriegen.“Er hofft, dass sich auch gute Dinge aus der Krise mitnehmen lassen.
Ahlen/Bielefeld – Elf Arbeitstage lang haben sie bisher angepackt, um aus einem Urwald mit marodem Schaukelgerüst hinter dem Haus einen kleinen Spielplatz zu bauen: Dass auf dem verwilderten Garten-Grundstück des Kinderschutzbundes in Ahlen im Münsterland bald wieder getobt, geklettert und geschaukelt werden kann, ist dem Engagement von Männern und Frauen zu verdanken, die sonst eher mit ihren Missetaten denn mit ihrem Ehrenamt in der Öffentlichkeit stehen: Bei dem Projekt „Manpower“setzen Strafgefangene der Justizvollzugsanstalt Bielefeld Spielplätze in Stand.
„Wir können so der Gesellschaft etwas zurückgeben, was wir ihr durch unsere Straftaten genommen haben“, bringt Volker C. die Idee auf den Punkt. Nicht ohne Grund will er seinen richtigen Namen nicht veröffentlicht wissen: Der Initiator des Projektes und selbstständige Gartenbauer verbüßt selbst eine Strafe wegen Betruges. Wie die ProjektTeilnehmer ist er im offenen Vollzug untergebracht und führt sein Unternehmen weiter.
Freiwillige Mission
Seit zwei Jahren ist er nun regelmäßig während des samstäglichen Ausgangs mit seinen Mithäftlingen in freiwilliger Mission unterwegs: Bäume fällen, sich durch meterhohes Brombeergestrüpp kämpfen und zuletzt Rindenmulch ausbringen, wie an diesem Tag in Ahlen. Oder Spielgeräte bunt streichen, Sandkästen anlegen, Blumen pflanzen, Rasen ausrollen, wie in mehreren Kitas im ebenfalls
Projekt: Ein Inhaftierter der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne sitzt unter Aufsicht eines JVA-Beamten auf dem Kinderspielplatz beim Kinderschutzbund auf einem Klettergerüst und baut daran.
in Reichweite der JVA-Außenstellen gelegenen Sassenberg. Fast 120 Häftlinge haben seit Projektstart mitgemacht, seit Kurzem die ersten Frauen. „Am Anfang wollte ich was gegen die Langeweile tun. Dass da keiner auf dumme Gedanken kommt“, sagt C. Längst sei ihm klar, wie viel mehr das Projekt bewirke.
Draußen sei die Idee zunächst durchaus auf Vorbehalte bei Eltern und Erzieherinnen gestoßen: Straffällig gewordene Männer in Kitas – passt das? Die Ängste habe man schnell ausräumen können. „Überall wo wir sind, stoßen wir auf ganz, ganz große Resonanz“, sagt C. „Es gab noch nie eine negative Rückmeldung“,
versichert er. Im Gegenteil: „Wir kriegen mittlerweile von den Eltern auch mal ein Frühstück gebracht oder ordentlichen Kaffee“, berichtet Mitstreiter Dieter Obermann.
Noch größer sei der Ansporn, wenn er an die Freude der Kinder denke, sagt er und zeigt die bunten Bilder, die einige Kitagruppen den Häftlingen als Dankeschön haben zukommen lassen.
Wichtige Botschaft
Mit Ausnahme von Straftätern, die sich Kindern gegenüber schuldig gemacht haben, dürfen alle teilnehmen, die im offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt
Bielefeld-Senne untergebracht sind – eine riesige Einrichtung mit 1500 Haftplätzen in zwei Hafthäusern und 15 in Westfalen verstreuten Außenstellen. Sie hätten bereits durch ihre Eignung für den offenen Vollzug gezeigt, dass sie mit gewissen Freiheiten umgehen können, sagt JVA-Leiterin Kerstin Höltkemeyer-Schwick.
Aus ihrer Sicht erweist sich der Ansatz als „fantastisches Resozialisierungsprojekt“– und damit genau als das, worum es im offenen Vollzug gehe: Die Häftlinge sollen auf das Leben nach der Haft vorbereitet werden. Außerdem werde eine Botschaft transportiert, die ihr wichtig sei,
sagt Kerstin HöltkemeyerSchwick: „Wir haben hier keine weggesperrten Monster, sondern Menschen, die sich wieder integrieren wollen.“