Machtanspruch klar formuliert
Es hat nicht viel mit dem üblichen politischen Hochämtern der Parteien zu tun gehabt. Doch es funktioniert. Mag ein digitaler Bundesparteitag in Zeiten der Pandemie auch sehr gewöhnungsbedürftig und nicht der Gipfel der Unterhaltung sein, so haben die Grünen doch immerhin bewiesen, dass eine solche Veranstaltung auch unter diesen Bedingungen halbwegs möglich ist.
Die Parteispitze nutzt die Gelegenheit, um ihren Machtund Führungsanspruch so klar und deutlich wie nie zuvor zu formulieren. Die Grünen-Chefs rütteln am Zaun des Kanzleramtes und rufen: „Wir wollen hier rein!“Angesichts aktueller Umfragen und dem guten Platz zwei in der Parteienriege, wenn man den Meinungsumfragen Glauben schenken darf, wäre es auch töricht, wenn die Parteispitze nicht offensiv und kämpferisch in die Bundestagswahl im kommenden Jahr gehen, die Ziele nicht hoch ansetzen würde. Die Voraussetzungen für eine Rückkehr in die Regierung jedenfalls scheinen gut sein. Die Partei präsentiert sich weiter geschlossen, wirkt gut organisiert und verfügt über ein Spitzenduo, um das sie andere beneiden.
Doch wie lange hält das Glück im grünen Idyll? Die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur könnte zu Spaltungen führen. Sollte das Wahlprogramm zu weit vom Grundsatzprogramm abweichen, droht innerparteilicher Ärger. In Zeiten der Pandemie dürfte der klimapolitische Zeitgeist, von dem sie profitieren, weiter schwinden. Die Koalitionsfrage offen zu lassen, könnte manch potenziellen Wähler der Mitte noch abschrecken. Stellt die Parteiführung die Weichen zu sehr in Richtung Mitte und trennt sich von alten Zöpfen, droht ein Aufstand und womöglich ein Exodus bei der Stammklientel. Dem einen oder anderen Urgrünen gehen die Veränderungen schon jetzt zu weit. Bis zur Wahl ist es noch ein weiter Weg. Der bis ins Kanzleramt ist noch viel weiter.
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