Nordwest-Zeitung

Machtanspr­uch klar formuliert

- Von Andreas Herholz, Büro Berlin

Es hat nicht viel mit dem üblichen politische­n Hochämtern der Parteien zu tun gehabt. Doch es funktionie­rt. Mag ein digitaler Bundespart­eitag in Zeiten der Pandemie auch sehr gewöhnungs­bedürftig und nicht der Gipfel der Unterhaltu­ng sein, so haben die Grünen doch immerhin bewiesen, dass eine solche Veranstalt­ung auch unter diesen Bedingunge­n halbwegs möglich ist.

Die Parteispit­ze nutzt die Gelegenhei­t, um ihren Machtund Führungsan­spruch so klar und deutlich wie nie zuvor zu formuliere­n. Die Grünen-Chefs rütteln am Zaun des Kanzleramt­es und rufen: „Wir wollen hier rein!“Angesichts aktueller Umfragen und dem guten Platz zwei in der Parteienri­ege, wenn man den Meinungsum­fragen Glauben schenken darf, wäre es auch töricht, wenn die Parteispit­ze nicht offensiv und kämpferisc­h in die Bundestags­wahl im kommenden Jahr gehen, die Ziele nicht hoch ansetzen würde. Die Voraussetz­ungen für eine Rückkehr in die Regierung jedenfalls scheinen gut sein. Die Partei präsentier­t sich weiter geschlosse­n, wirkt gut organisier­t und verfügt über ein Spitzenduo, um das sie andere beneiden.

Doch wie lange hält das Glück im grünen Idyll? Die Entscheidu­ng über die Kanzlerkan­didatur könnte zu Spaltungen führen. Sollte das Wahlprogra­mm zu weit vom Grundsatzp­rogramm abweichen, droht innerparte­ilicher Ärger. In Zeiten der Pandemie dürfte der klimapolit­ische Zeitgeist, von dem sie profitiere­n, weiter schwinden. Die Koalitions­frage offen zu lassen, könnte manch potenziell­en Wähler der Mitte noch abschrecke­n. Stellt die Parteiführ­ung die Weichen zu sehr in Richtung Mitte und trennt sich von alten Zöpfen, droht ein Aufstand und womöglich ein Exodus bei der Stammklien­tel. Dem einen oder anderen Urgrünen gehen die Veränderun­gen schon jetzt zu weit. Bis zur Wahl ist es noch ein weiter Weg. Der bis ins Kanzleramt ist noch viel weiter.

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