Ein Gesamtkunstwerk wird modernisiert
Atelier- und Wohnhaus des Künstlers Emil Nolde steht in Seebüll – Charakter bleibt erhalten
Neukirchen-Seebüll – Schon von weitem ist der grüne Kran zu sehen. Er überragt hier, in der weiten Landschaft Nordfrieslands die meisten Erhebungen. Er ist eine Art Wegweiser zu einer der spannendsten Baustellen der Region: der denkmalgerechten Sanierung des Wohn- und Atelierhauses des Expressionisten Emil Nolde (1867-1956).
Es sei eine besondere Gratwanderung, sagt der Direktor der Nolde-Stiftung, Christian Ring. Der Charakter des Hauses und viel der historischen Substanz sollen erhalten bleiben, gleichzeitig aber ein Museum entstehen, das modernen Ansprüchen entspricht.
Markanter Klinkerbau
Der markante Klinkerbau wurde ab 1927 in mehreren Schritten nach den Plänen Noldes errichtet. 1937 wird das Atelier nach Plänen des Flensburger Architekten Georg Rieve (1888-1966) um den Bildersaal aufgestockt. Für Nolde war dies die „Erfüllung eines Lebenswunsches“, sagt Ring.
Nach dem Tod Noldes 1956 wurde das Wohn- und Atelierhaus wie von den Noldes gewünscht zum Museum umgebaut. Weit mehr als vier Millionen Besucher besichtigten in den folgenden Jahrzehnten das Haus, in dem jährlich wechselnde Ausstellungen Noldes Werks zeigen. Für einen derart großen Besucherstrom war das Haus nicht konstruiert – ihm waren allmählich die Jahre anzumerken, sagt Ring.
„Es bedurfte einer grundlegenden und behutsamen Sanierung und technischen Modernisierung“, sagt Ring. Was das bedeutet, ist etwa im Inneren des Hauses zu sehen. Dort wurden etwa die Holzdielen in den ehemaligen Wohnräu
men im Erdgeschoss entfernt, der Untergrund erneuert und eine Fußbodenheizung und -kühlung verlegt. Später sollen die Dielen wieder an den alten Platz gelegt werden. Ersetzt wird nur, was sich nicht mehr retten lässt.
Neben technischen Modernisierungen gelte es, das Gesamtkunstwerk Seebüll zeitgemäß weiterzuentwickeln, sagt Ring. Da das Haus mit seinen An- und Umbauten seine eigene Bau-Geschichte erzähle, könne man nicht nur denkmalgerecht sanieren. Man müsse sich fragen, „welche Geschichte dieser nächste Schicht des Hauses erzählen und prägen soll“. Die besondere Atmosphäre des Gebäudes solle dabei bewahrt werden.
Komplexe Aufgabe
Diejenigen, denen es aus Sicht der Nolde-Stiftung gelungen ist, das Wohn- und Atelierhaus nicht nur zu sanieren,
sondern auch neue Akzente zu setzen, sind die beiden Hamburger Architektinnen Beate Kirsch und Anja Bremer vom Büro Kirsch Bremer artandarchitecture. Sie hatten mit ihrem Konzept Ende 2018 das von unabhängigen Experten beratene Kuratorium der Stiftung
„durch die Wertschätzung für den Bestand und neue Impulse“überzeugt.
Der Denkmalschutz habe den Klinkerbau als eines der wenigen wichtigen Künstlerhäuser eingestuft, sagt Kirsch. Dementsprechend behutsam läuft die Sanierung. „Alle am
Bau sind sich ihrer Verantwortung bewusst“, sagt sie.
„Nolde hat hier gelebt, gearbeitet. Er ist hier beigesetzt. Es ist kein beliebiges Museum“, sagt Ring. Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2021 wird es auch für die Besucher erlebbarer sein.