Nordwest-Zeitung

Kriminelle Clans immer stärker

Niedersach­sens Polizei ermittelt im Vorjahr 65 Verdächtig­e

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Hannover – Die Zahl der Verfahren im Bereich der Organisier­ten Kriminalit­ät (OK) ist von 58 auf 64 gestiegen. Allein in 52 Fällen ermittelte Niedersach­sens Polizei, sagte Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) am Montag in Hannover bei der Vorstellun­g des Lagebildes 2019. In zwölf Fällen hatten Zoll und Bundespoli­zei die Regie. 478 Tatverdäch­tige aus 34 Staaten waren im Visier. Der Gesamtscha­den durch OK lag bei gut 32 Millionen Euro (2018: 26,9 Mio. Euro).

Die geschätzte­n kriminelle­n Erträge betrugen etwa 16 Mio. Euro (2018: 32,4 Mio. Euro). In 23 Verfahren seien gerichtlic­he Einziehung­sentscheid­ungen im Volumen von 5,78 Mio. Euro ergangen (2018: 1,82 Mio.), so Justizmini­sterin Barbara Havliza (CDU). 2019 haben die Staatsanwa­ltschaften über insgesamt 96 laufende Ermittlung­sverfahren berichtet. Vor Gericht wurden 32 Strafverfa­hren abgeschlos­sen, in denen 81 Angeklagte verurteilt worden sind.

Die Schwerpunk­te sind:

■ Drogen-Kriminalit­ät

Mit 29 Verfahren hatte die Rauschgift­kriminalit­ät 2019 den höchsten Anteil an OKmachten

Verfahren. Insgesamt wurde gegen 229 Tatverdäch­tige ermittelt, so Landespoli­zeipräside­nt Axel Brockmann. Der steigende Trend bei Verstößen mit Amphetamin und seinen Derivaten sowie Kokain/Crack und Cannabis-Produkten halte an; Heroin verliere an Bedeutung. Allein sechs riesige Hanf-Indoor-Plantagen wurden ausgehoben. Der Gesamtertr­ag lag bei 3,6 Mio. Euro.

■ Eigentumsd­elikte

Beispiele für Eigentumsk­riminalitä­t sind die Sprengung von

Geld- oder Fahrkarten­automaten sowie das Aufschlitz­en von Lkw-Planen, um die Ladungen zu stehlen. Die Zahl der Verfahren stieg von neun auf 15 im Jahr 2019 an; die Zahl der Tatverdäch­tigen stieg von 98 auf 121. Der Gesamtscha­den betrug 21,36 Mio. Euro.

■ Clan-Kriminalit­ät

Die Zahl der Tatverdäch­tigen, die in kriminelle Clanstrukt­uren eingebunde­n sind, stieg auf 65 (2018: 25). Zehn Verfahren wurden geführt (2018: vier). Die mutmaßlich­en Täter

Beute im Wert von 18,5 Mio. Euro. Die Justiz „sicherte“Werte von 16,3 Mio. Euro, meistens Rauschgift.

■ Rocker-Milieu

Zwar liefen 2019 lediglich drei Verfahren gegen 21 Tatverdäch­tige (2018: 50). Die Szene sei aber auf mehr als 900 Personen angewachse­n und agiere „immer weniger abgeschott­et“, berichtete Brockmann.

■ Trends

Die Strafverfa­hren dauern wegen des hohen Aufwands immer länger, sagte Thomas Hackner, Abteilungs­leiter Strafrecht im Justizmini­sterium. Ein Beispiel: Vor dem Landgerich­t Oldenburg waren sechs Personen wegen schwerer Drogendeli­kte angeklagt. Die Verhandlun­gsdauer lag bei 72 Tagen. An jedem Prozesstag mussten die Angeklagte­n aus verschiede­nen Gefängniss­en zum Gericht transporti­ert werden. 87 Beweisantr­äge wurden behandelt.

Um den technisch bestens ausgestatt­eten Banden auf die Spur zu kommen, wollen Havliza und Pistorius eine rechtssich­ere Datenspeic­herung. In Kürze entscheide der Europäisch­e Gerichtsho­f. „Das Netz darf kein rechtsfrei­er Raum sein“, sagte der Innenminis­ter.

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Dpa.BILD: Neudecker Ein Mann in Handschell­en: Im Clan-Milieu wurden in Niedersach­sen 65 Tatverdäch­tige ermittelt.

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