Kurioser Sprachen-Streit auf dem Balkan
Wie Bulgarien einen kleinen EU-Beitrittskandidaten erpresst
Die Zukunft zu planen ist nicht einfach in einer Region wie dem Balkan, wo die Geschichte häufig die Gegenwart überschattet. Nordmazedonien, einer der jüngsten Staaten Europas, brauchte Jahre, um Differenzen mit Griechenland beizulegen, die einen Beitritt zur Europäischen Union und zur Nato verhinderten. Nun wurde dieser Weg erneut blockiert, diesmal von einem anderen Nachbarn: Bulgarien. Das EU-Land erpresst den Beitrittskandidaten mit einer kuriosen Forderung.
Die Regierung in Sofia verlangt, dass Nordmazedonien formal anerkennt, dass seine Sprache bulgarische Wurzeln hat. Die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit einem möglichen künftigen Mitgliedsland erfordert die einhellige Zustimmung aller 27 EU-Staaten. Die bulgarische Außenministerin Ekaterina Sachariewa informierte darüber, dass ihr Land im Fall Nordmazedoniens seine Einwilligung verweigert habe.
Bulgarien besteht darauf, dass im Verhandlungsrahmen statt „mazedonische Sprache“die Formulierung „die offizielle Sprache der Republik Nordmazedonien“gebraucht wird. Sofia betrachtet die Sprache als einen Dialekt des Bulgarischen und argumentiert, dass die Amtssprache des Nachbarn nach 1944 künstlich erschaffen worden sei. Die bulgarische Regierung fordert zudem die Aufnahme eines Passus, wonach Erklärungen, in Bulgarien gebe es eine mazedonische Minderheit, in keiner Form unterstützt würden.
Einer Volkszählung aus dem Jahr 2011 zufolge bezeichnen sich etwa 1600 der sieben Millionen bulgarischen Staatsbürger als Mazedonen. Nach Ansicht von Historikern aus Sofia handelt es sich nicht um eine Minderheit, sondern um Flüchtlinge aus den Kriegen der 90er Jahre. Nordmazedonien hat klargestellt, dass seine Identität und Sprache nicht verhandelbar sind.
Historisch hat Bulgarien mehrfach Anspruch auf das Gebiet des heutigen Nordmazedoniens erhoben. Nach einem verlorenen Krieg gegen Russland trat das Osmanische Reich die Region 1878 an Bulgarien ab. Der Berliner Kongress, der die Machtverhältnisse auf dem Balkan neu ordnete, schlug es dann allerdings im gleichen Jahr wieder der Türkei zu. Seit 1913 gehörte der größte Teil der Region zu Serbien und wurde im Ersten Weltkrieg von Bulgarien erobert. In der Zwischenkriegszeit Teil des Königreichs Jugoslawien, wurde es im Zweiten Weltkrieg erneut von Bulgarien erobert und nach 1945 schließlich Teil Jugoslawiens.