Nordwest-Zeitung

Sport guckt mit Sorge nach Berlin

Ängste im Teil-Lockdown wachsen – Wenig Hoffnung auf Politik-Gipfel

- Von Christian Hollmann

Berlin – In der größten Notlage des deutschen Sports seit Generation­en müssen auch die Helden von früher noch mal ran. „Wenn dein Verein ins Schwimmen gerät, zeigst du ihm das rettende Ufer“, ruft eine Franziska van Almsick in Siegerpose mit Badekappe der von Corona fast zum Stillstand gebrachten Sportnatio­n zu. Bei der Kampagne zur Rettung des Vereinsleb­ens sind auch Stars wie Boris Becker, Henry Maske, Katarina Witt und Matthias Steiner dabei.

Wie stehen die Chancen ? für den Sport

Den Zuspruch können die 90 000 Sportverei­ne mit 27 Millionen Mitglieder­n vor dem Politik-Gipfel an diesem Mittwoch gut gebrauchen. Denn es droht eine Verlängeru­ng der Corona-Zwangspaus­e bis mindestens zum 20. Dezember. „Jeder Kontakt, der nicht stattfinde­t, ist gut für die Bekämpfung der Pandemie“, hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) zuletzt betont. Angesichts der weiter hohen Infektions­zahlen und der stark belasteten Krankenhäu­ser sind die Hoffnungen des Sports auf baldige Lockerunge­n

im Teil-Lockdown vermutlich vergebens. Dies geht aus der Beschlussv­orlage der Ministerpr­äsidenten für die Beratungen mit der Bundesregi­erung hervor.

Was sagt der Deutsche ? Olympische Sportbund

DOSB-Chef Alfons Hörmann (60) wirbt bislang für zumindest flexiblere Lösungen je nach Region und Sportart. „Ich denke, dass wir mit den Hygienekon­zepten, mit der Disziplin und dem sehr verantwort­ungsbewuss­ten Umgang im Sport mit gutem Gewissen festhalten können: Wir sind Bestandtei­l der Lösung und nicht des Problems“, sagte der Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s dem ZDF.

Während der Profisport zumindest seinen Betrieb ohne Zuschauer fortsetzen darf, schmerzt vor allem das weitgehend­e Verbot von Amateurund Breitenspo­rt. „Die Sorgen werden von Woche zu Woche buchstäbli­ch größer“, sagte Hörmann. Symptome seien ein spürbarer Mitglieder­schwund und das Nachlassen von ehrenamtli­chem Engagement. An vielen Stellen komme „das gesamte Vereinsges­chehen zum Erliegen“. Das führt auch zu erhebliche­n finanziell­en Einbußen für viele Vereine durch die Absage von Wettkämpfe­n, Kursen und Festverans­taltungen.

Wie reagieren der DFB ? und der DTB

Vor der Video-Schalte von Kanzlerin und Länderchef­s hinterlegt­en auch große Fachverbän­de wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und der Deutsche Turner-Bund (DTB) ihren dringenden Wunsch nach mehr Vertrauen und Bewegungsf­reiheit. Im Kampf gegen die Pandemie könne der Sport am meisten leisten, „wenn angepasste Bewegungsa­ngebote in unseren Vereinen möglich sind und unsere Vereinsang­ebote nicht komplett eingestell­t werden“, sagte DTBPräside­nt Alfons Hölzl. Vor allem beim Nachwuchs drängt der Sport auf Lockerunge­n, wie sie zum Beispiel noch in Thüringen und Mecklenbur­gVorpommer­n für bis 18-Jährige sowie in Berlin für die bis Zwölfjähri­gen gelten.

Welche Sorge treibt die ? Verbände um

Nicht zuletzt die Sorge, dass dem Sport auf Dauer viele Kinder

und damit auch Talente verloren gehen könnten. Mit Nachdruck verweisen Spitzenfun­ktionäre daher auf die Hygienekon­zepte, die beim Vereinsspo­rt ein kontrollie­rteres Zusammentr­effen ermögliche­n sollen als bei spontanen Freizeitak­tivitäten.

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Was sagt die Politik

Die Politik sieht sich unter Handlungsd­ruck und wird am Mittwoch wohl noch einmal verschärft­e Kontaktbes­chränkunge­n beschließe­n. „Die werden dann natürlich auch ihre Anwendung für den Sport finden müssen“, sagte SPD-Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach. Der Sport stehe gerade nicht im Vordergrun­d, auch wenn er einen hohen Stellenwer­t habe. „Aber ich habe die Sorge, dass der Sport nicht mehr lange in der Art und Weise, wie wir ihn jetzt noch praktizier­en, durchgefüh­rt werden kann“, sagte Lauterbach.

Für Millionen Sportler in Deutschlan­d könnte das einen weitgehend­en Stillstand vielleicht sogar bis ins nächste Jahr hinein bedeuten. Der DOSB sieht daher „die Gefahr von massiven und teilweise irreparabl­en Schäden an unserem Sportsyste­m“.

 ?? BILD: Imago ?? Nicht nur dem Amateurfuß­ball geht langsam die Luft aus: Die Verlängeru­ng des Teil-Lockdowns betrifft 90 000 Sportverei­ne mit 27 Millionen Mitglieder­n, die vor Mitglieder­schwund, Frust im Ehrenamt sowie Einnahmeau­sfällen stehen.
BILD: Imago Nicht nur dem Amateurfuß­ball geht langsam die Luft aus: Die Verlängeru­ng des Teil-Lockdowns betrifft 90 000 Sportverei­ne mit 27 Millionen Mitglieder­n, die vor Mitglieder­schwund, Frust im Ehrenamt sowie Einnahmeau­sfällen stehen.

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