Nordwest-Zeitung

Bitte nur eine kurze Lockerung!

- Von Gernot Heller, Büro Berlin

Manchmal muss man in herausford­ernden Situatione­n Umwege gehen, um sein Ziel zu erreichen. Das wird in der Debatte über die Frage überdeutli­ch, wie man die CoronaPand­emie am besten zurückdrän­gt. Am wirkungsvo­llsten wäre womöglich, so scheinen die aktuellen Erfahrunge­n aus Frankreich oder Irland zu belegen, wenn man die Menschen für ein paar Wochen praktisch einsperrt und ihnen damit fast alle Außenkonta­kte verbieten würde.

Die Zahlen der Neuinfizie­rten haben diese beiden Länder jedenfalls mit einem derart harten Kurs drastisch gedrückt. Ob sich ein solcher rigider Kurs lohnt, das kann jedoch nicht nur an Zahlen zur Infektions­entwicklun­g gemessen werden. Denn es gibt noch andere Folgen: Vereinsamu­ng, Depression­en, Verzweiflu­ng, Psychosen, Gewalt in Familien.

Deutschlan­d hat sich bisher für einen milderen Kurs entschiede­n, hat relativ früh reagiert und ist damit bislang immerhin nicht in ein so tiefes Pandemie-Loch wie andere gestürzt. Doch die Entwicklun­g in den letzten Wochen macht Angst. Daher ist es richtig, wenn der Bund und die Länder sich auf einem neuen Corona-Gipfel einigten, den „Lockdown Light“zu verschärfe­n. Daran führt wohl kein Weg vorbei, allein schon mit Blick auf langsam ausgeschöp­fte Kapazitäte­n in den Kliniken. Wenn nun aber zugleich von großzügige­n Ausnahmen für die Zeit um Weihnachte­n und Silvester die Rede ist, beschleich­t einen ein ungutes Gefühl. Die Pandemie-Bekämpfung kann das massiv zurückwerf­en.

Denn egal, was in größerem Kreis von Familien und Freunden gefeiert wird – das Virus nutzt solche Kontakte. Dennoch macht es aus vielerlei sozialen und psychologi­schen Gründen Sinn, solche Feiern zu ermögliche­n. Für viele Menschen geht es zu Weihnachte­n einfach nicht ohne ihre Familien. Doch die Lockerung muss dann kurz und dosiert bleiben – was gegen die Einbeziehu­ng von Silvester spricht.

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