Mit 36 Jahren schwer an Corona erkrankt
Infektion trifft Friesoyther Geschäftsmann Marcel Nitschke – Gesund und ohne Vorerkrankung
Oldenburg/Friesoythe – „Ich hatte Todesangst“, sagt Marcel Nitschke, 36 Jahre. Der Geschäftsführer einer Werbeagentur aus Friesoythe im Landkreis Cloppenburg war topfit, bevor er sich Ende September mit dem Coronavirus infizierte. Im Gegensatz zu vielen anderen Covid-19-Patienten mit schweren Verläufen hat er weder eine Vorerkrankung noch ist er aufgrund seines Alters der Risikogruppe zuzuordnen – und doch erkrankt er schwer.
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Trockener Husten, Halsschmerzen, der Verlust von Geschmacks- sowie Geruchssinn und schließlich Fieber – bei Marcel Nitschke startet der Krankheitsverlauf an einem Montag mit den typischen Symptomen. Ein Corona-Test bestätigt tags darauf: Er ist positiv. „Dabei waren wir die ganzen Monate über sehr vorsichtig“, so der Familienvater.
Innerhalb von eineinhalb Tagen baut sein Körper drastisch ab, auch der Appetit lässt nach. Das Fieberthermometer steigt in Richtung 39,5 Grad. Schließlich ruft der Hausarzt von Marcel Nitschke am Donnerstagmittag den Krankenwagen, der den Patienten ins Klinikum Oldenburg bringt.
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Der Beginn
Die Intensivstation
Dort angekommen wird Marcel Nitschke durchgecheckt und auf die Intensivstation gebracht. „Es ging mir immer schlimmer“, sagt er. Am Freitag bekommt er Wickel gegen Fieber, inhaliert – nichts hilft.
„Ich habe mich immer wieder gefragt, was die Ärzte jetzt machen“, sagt er. Aufgrund der Schutzkleidung ist die Mimik der Pflegekräfte kaum zu sehen. Dennoch lässt sich ein aufmunterndes Lächeln an den Augen ablesen. So fühlt er sich gut aufgehoben: „Für diese Menschen ist das kein Beruf, sondern eine Berufung – sie geben sich viel Mühe.“
Doch der Zustand von Marcel Nitschke verschlechtert sich weiter, er hat keinen Sauerstoff im Blut, ist an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Am Freitagnachmittag bringen die Ärzte die Möglichkeit der Blutplasma-Behandlung ins Spiel, wollen den Patienten
Patient und Arzt: Marcel Nitschke (links) infizierte sich mit dem Coronavirus – Intensivmediziner Dr. Ulf Günther versorgte ihn im Klinikum Oldenburg.
noch nicht intubieren. „Ich habe sofort zugesagt, mir ging es schlecht“, erinnert er sich. „Man kann nicht so, wie man will, verliert teilweise die Kontrolle über seinen Körper – irgendwann ergibt man sich.“
Freitag und Samstag erhält er jeweils eine Transfusion, zum Samstagabend hin stabilisiert
sich sein Zustand – endlich. „Am Sonntagvormittag hatte ich erstmals wieder mehr Kraft – ich hatte die Talsohle durchschritten“, sagt Marcel Nitschke. Er trinkt den ersten Tee, isst ein Graubrot – die Kräfte kommen zurück – und mit ihnen auch der Geschmack. Am Sonntag darauf
kann er nach insgesamt zehn Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden, wenn auch mit rund sieben Kilogramm weniger Körpergewicht.
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Die Zeit danach
Zu Hause angekommen muss er noch eine Woche in Quarantäne bleiben, trainiert seine Lunge mit einem Spiel, bei dem er mit seinem Atem Bälle bewegen muss. Er erholt sich, geht in den Garten, um frische Luft zu atmen.
Ab und zu habe er noch immer Halsschmerzen und es gebe Tage, an denen er sich schlapp fühle, sagt er – knapp zwei Monate nach seiner Klinikentlassung. Auch der Geruchssinn sei noch nicht optimal. Er gehe aber wieder spazieren, probiere Krafttraining aus. „Langsam kommt die Normalität zurück“, sagt Marcel Nitschke. Doch die Angst wird er wohl nie vergessen.
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Herr Dr. Günther, gibt es Auffälligkeiten bei der Behandlung von Covid-19? Günther: Was Covid-19 so besonders macht ist, dass die Erkrankung einen dramatischen Verlauf nehmen kann, obwohl der Patient vorher kerngesund war. Bei anderen Virusgrippen gab es immer Vorerkrankungen, die dann bei den Patienten zu schweren Verläufen führten. Das ist nun anders: Viele Menschen bekommen fast aus dem Nichts heraus eine schwere Erkrankung.
Gibt es noch andere Faktoren, die sich unterscheiden? Günther: Ja, im Gegensatz zu anderen Krankheiten sind viele Corona-Patienten schon darüber informiert, was ihnen drohen könnte. Das kennt man als Arzt so nicht. Marcel Nitschke etwa hat man genau angesehen, dass er wusste, was auf dem Spiel steht. Das hat uns alle auf der Station sehr beeindruckt.
Sind nicht eigentlich alte Leute gefährdet – wo liegt das Durchschnittsalter von Coronapatienten bei Ihnen auf der Intensivstation?
Günther: Das Durchschnittsalter liegt bei knapp über 60 Jahren. Es gibt aber immer wieder Patienten, die weit darunter liegen. Oft kommen Menschen wegen etwas anderes ins Krankenhaus und haben dann Corona. Schwangere etwa müssen dann unter Corona-Auflagen entbinden.