Nordwest-Zeitung

Wenn Kinderwuns­ch zur Belastung wird

„Was wir wollten“bei Netflix ist teils langatmig, berührt aber durch ruhige Erzählung

- Von Tonia Hysky

Berlin – Das junge Paar Alice (Lavinia Wilson) und Niklas (Elyas M’Barek) sitzt in der Praxis einer Kinderwuns­chklinik. „Der Embryo ist leider nicht lebensfähi­g“, sagt die Gynäkologi­n lapidar. Wieder nicht. Aber diesmal ginge es mit dem „Abbau“schnell, keine Ausschabun­g nötig. Vielleicht sollten die beiden mal Urlaub machen, fügt sie hinzu.

Urlaub als Auszeit

Mit dieser erschrecke­nden Trockenhei­t beginnt der Film „Was wir wollten“, der eigentlich als Kinofilm geplant war aber pandemiebe­dingt nun bei Netflix zu sehen ist. Die Beziehung zwischen Niklas und Alice könnte eigentlich nicht besser laufen. Gerade bauen sie ein schönes Haus in Wien, verdienen gut.

Doch zahlreiche fehlgeschl­agene Versuche einer künstliche­n Befruchtun­g zerren an ihnen Nerven. Im Urlaub auf Sardinien versuchen beide, gemeinsam eine Auszeit zu nehmen, doch das Thema Kinderwuns­ch schwebt immer noch über ihnen. Das Ganze wird nicht leichter, als im Ferienhaus neunter ben ihnen eine (vermeintli­ch) glückliche Familie einzieht. Die Gegenübers­tellung der Modelle „Familie mit Kind“und „kinderlos“drängt sich zuweilen etwas auf („Habt ihr keine Kinder? Na Ihr seid fein raus“), dient aber vor allem der Entwicklun­g der beiden Hauptfigur­en.

Der Film könnte für Action gewohnte Zuschauer zu langatmig, zu ruhig, zu langweilig sein. Man wartet immer darauf, dass etwas passiert, dass die Bombe platzt. Auf der anderen Seite lenkt der Film durch die Ruhe, das regelrecht Kammerspie­lartige den Blick permanent auf die zwischenme­nschliche Ebene. Auf den Schmerz, den Frust, die unausgespr­ochenen Vorwürfe, Erwartunge­n und Bedürfniss­e der Hauptchara­ktere. Es gibt in dramaturgi­scher Hinsicht keinen Spannungsb­ogen, vielmehr setzt ein dauernder, lähmender Schwermut ein – so, wie es eben im wahren Leben auch wäre.

Beziehung leidet

Der Zuschauer erlebt, wie sehr der unerfüllte Wunsch nach einem gemeinsame­n Kind die Beziehung von Niklas und Alice belastet. Wie Sex dem Druck lediglich zum emotionslo­sen Akt verkommt – etwa wenn Niklas seine Partnerin anherrscht: „Du willst doch nur mit mir schlafen, um ein Kind zu kriegen!“und Alice entgegnet „Vielleicht hat die Natur ja recht.“Wenn der ganze Alltag sich einzig danach richtet, zu einem bestimmten Zeitpunkt Sex zu haben.

Starke Hauptfigur­en

„Was wir wollten“wird stark getragen durch Lavinia Wilson als verletzlic­he, traurige Alice. Aber auch Elyas M’Barek – dem breiten Publikum bekannt durch Klamaukrol­len wie in „Türkisch für Anfänger“oder „Fack ju Göhte“– spielt hier überzeugen­d einen überforder­ten, abgekämpft­en Niklas, der seine Partnerin nicht verletzen will, sich dafür aber auch immer weiter von ihr entfernt.

Der Film, basierend auf der Kurzgeschi­chte „Der Lauf der Dinge“von Peter Stamm, braucht recht lange, um wirklich in Fahrt zu kommen. Dann allerdings offenbart sich für kurze Zeit das ganze bittere Drama, in dem das Paar steckt und daran zu zerbrechen droht.

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BILD: Filmladen Filmverlei­h/Netflix Niklas und Alice wünschen sich ein Kind.

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