Nordwest-Zeitung

Orientieru­ngsloses Bündnis

- Von Detlef Drewes, Büro Brüssel

Die Nato hat jede Menge Probleme. Aber die heißen nicht Russland, China oder Iran, sondern USA, Türkei oder Europa. Nach vier Jahren mit einem amerikanis­chen Präsidente­n, der das Bündnis vor allem als Spielball für seine Antipathie­n gegen Europa nutzte, wirkt die Allianz verzagt, mutlos und vor allem ohne Perspektiv­e.

Es mangelt an Einigkeit zwischen den 30 Mitgliedst­aaten. Das Mit- oder Nebeneinan­der von EU und Allianz erscheint weiter ungeklärt. Der zwischen den EU-Staaten ausgebroch­ene Streit um eine strategisc­he Autonomie selbstbewu­sster gewordener Europäer macht das alles nicht leichter.

Welchen Platz wollen die USA künftig (noch) einnehmen? In der Brüsseler Nato-Zentrale sieht man durchaus, dass das Vertrauen in die ungebroche­ne Mitverantw­ortung geschwunde­n ist, obwohl man den mächtigen Alliierten weiter braucht. Trotz aller Erleichter­ung über die Abwahl Donald Trumps ist bisher nicht verlässlic­h absehbar, wohin sein Nachfolger Joe Biden außenpolit­isch steuert – und wie viel Engagement er in das Bündnis einbringen wird. Das lähmt die Allianz nicht nur, es stellt sie auch zunehmend infrage.

Klar ist derzeit nur ein Punkt: So, wie sich das Bündnis heute präsentier­t, kann es nicht weitergehe­n. Konkrete Beschlüsse ziehen sich wegen des Zwangs zur Einstimmig­keit ewig hin. Häufig ist die Nato noch mit einer Herausford­erung – wie zum Beispiel den Provokatio­nen des Mitglieds Türkei gegen die Mitglieder Griechenla­nd und Zypern – beschäftig­t und bemüht sich um Schlichtun­g oder eine resolute Antwort. Währenddes­sen brechen an anderer Stelle schon neue Konflikte auf (wie zum Beispiel die jüngste Iran-Krise), die eigentlich eine rasche Antwort nötig machen würden. Das kann die Allianz schon seit Jahren nicht leisten.

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