Orientierungsloses Bündnis
Die Nato hat jede Menge Probleme. Aber die heißen nicht Russland, China oder Iran, sondern USA, Türkei oder Europa. Nach vier Jahren mit einem amerikanischen Präsidenten, der das Bündnis vor allem als Spielball für seine Antipathien gegen Europa nutzte, wirkt die Allianz verzagt, mutlos und vor allem ohne Perspektive.
Es mangelt an Einigkeit zwischen den 30 Mitgliedstaaten. Das Mit- oder Nebeneinander von EU und Allianz erscheint weiter ungeklärt. Der zwischen den EU-Staaten ausgebrochene Streit um eine strategische Autonomie selbstbewusster gewordener Europäer macht das alles nicht leichter.
Welchen Platz wollen die USA künftig (noch) einnehmen? In der Brüsseler Nato-Zentrale sieht man durchaus, dass das Vertrauen in die ungebrochene Mitverantwortung geschwunden ist, obwohl man den mächtigen Alliierten weiter braucht. Trotz aller Erleichterung über die Abwahl Donald Trumps ist bisher nicht verlässlich absehbar, wohin sein Nachfolger Joe Biden außenpolitisch steuert – und wie viel Engagement er in das Bündnis einbringen wird. Das lähmt die Allianz nicht nur, es stellt sie auch zunehmend infrage.
Klar ist derzeit nur ein Punkt: So, wie sich das Bündnis heute präsentiert, kann es nicht weitergehen. Konkrete Beschlüsse ziehen sich wegen des Zwangs zur Einstimmigkeit ewig hin. Häufig ist die Nato noch mit einer Herausforderung – wie zum Beispiel den Provokationen des Mitglieds Türkei gegen die Mitglieder Griechenland und Zypern – beschäftigt und bemüht sich um Schlichtung oder eine resolute Antwort. Währenddessen brechen an anderer Stelle schon neue Konflikte auf (wie zum Beispiel die jüngste Iran-Krise), die eigentlich eine rasche Antwort nötig machen würden. Das kann die Allianz schon seit Jahren nicht leisten.
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