Corona-Krise verschärft Cybermobbing
Anfeindungen im Netz haben unter Schülern wieder zugenommen – Betroffene immer jünger
Karlsruhe – In sozialen Netzwerken, in privaten ChatGruppen oder auf Video-Plattformen: Cybermobbing findet viele Wege und hat noch mehr Gesichter. Jeder sechste Schüler (17,3 Prozent) in Deutschland ist laut einer Studie von Anfeindungen und Bloßstellungen im Netz betroffen. In absoluten Zahlen seien dies zwei Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, heißt es in der am Mittwoch in Karlsruhe vorgestellten Erhebung des Bündnisses gegen Cybermobbing und der Techniker Krankenkasse.
Nach 2013 und 2017 wurden zum dritten Mal Schülerinnen und Schüler sowie Eltern und Lehrkräfte online zu dem Thema befragt. 6000 Menschen aus ganz Deutschland beteiligten sich an der Befragung. Dabei herausgekommen ist ein düstereres Bild als 2017. Die Zahl der Betroffenen ist seither laut der Erhebung um 36 Prozent gestiegen.
Stärkere Mediennutzung
Zu den Gründen für die Zunahme zählen der Studie nach auch die Folgen der CoronaPandemie: Homeschooling, Fernunterricht und Kontaktbeschränkungen hätten dafür gesorgt, dass sich noch mehr soziale Kontakte ins Netz verlagert haben. Schulseitige Prävention sei unter solchen Bedingungen noch weniger möglich als sonst. „Kinder und Jugendliche sind aktuell viel mehr im Web unterwegs, weil viele Dinge digital laufen“, sagt Schüler Lukas Pohland, der vor Jahren ein Sorgen-Telefon für Opfer von Cybermobbing ins Leben gerufen hat. Die stärkere Mediennutzung erhöhe auch die Wahrscheinlichkeit für Cybermobbing.
Der Realschüler aus Schwerte bei Dortmund war
auch schon selbst Opfer von Cybermobbing, weil er einer betroffenen Klassenkameradin helfen wollte. Seitdem engagiert sich der 16-Jährige für das Thema, hält Vorträge an Schulen und hat auch schon im nordrhein-westfälischen Landtag dazu gesprochen.
Cybermobbing sei von außen nur schwer zu erkennen, so Pohland. Es treffe Mädchen und Jungen gleichermaßen, das typische MobbingOpfer gebe es nicht. Jeder Schüler könne betroffen sein.
Härtere Vorgehensweise
Der Großteil der Betroffenen fühlt sich durch das Cybermobbing verletzt oder wütend. Der Befragung zufolge sprach jeder Vierte schon einmal von Suizidgedanken. „Es zeigt sich ganz deutlich, dass heute gezielter und härter gemobbt wird als noch vor drei
Jahren“, erklärt Uwe Leest, Vorstandsvorsitzender des Bündnisses gegen Cybermobbing.
Für die Angriffe werden vor allem Smartphones genutzt. Beim Cybermobbing wird laut der Studie vor allem beleidigt und beschimpft. Oft werden auch Lügen und Gerüchte verbreitet, unangenehme Fotos geteilt und Fakeprofile erstellt.
Besonders oft kommt es an Haupt- und Realschulen vor. Nach Aussage der Eltern ist inzwischen aber auch bereits jeder zehnte Grundschüler einmal Opfer von Cybermobbing gewesen. Ein Grund dafür sei
die immer verbreitetere Nutzung von Smartphones, sagt Pohland. „Bedauerlicherweise setzt man die Prävention aber noch nicht an Grundschulen an, oft fehlt es daran auch schon an den weiterführenden Schulen.“
Betroffene würden sich etwa nicht mehr in die Schule trauen, so Pohland. Wichtig sei in solchen Fällen, ein offenes Ohr zu haben.
Motive der Täter
Die Motive für Mobbing reichen laut der Studie von Begründungen wie „weil es cool ist“bis zu Taten aus Langeweile oder Rache. Die meisten Täter (45 Prozent) sind der Ansicht, dass es die Betroffenen verdient hätten. Viele Mobber waren selbst schon Opfer von Mobbing.
Die Studie ist herunterladbar unter bit.ly/studie-cyberlife3