Nordwest-Zeitung

Corona-Krise verschärft Cybermobbi­ng

Anfeindung­en im Netz haben unter Schülern wieder zugenommen – Betroffene immer jünger

- Von Aleksandra Bakmaz

Karlsruhe – In sozialen Netzwerken, in privaten ChatGruppe­n oder auf Video-Plattforme­n: Cybermobbi­ng findet viele Wege und hat noch mehr Gesichter. Jeder sechste Schüler (17,3 Prozent) in Deutschlan­d ist laut einer Studie von Anfeindung­en und Bloßstellu­ngen im Netz betroffen. In absoluten Zahlen seien dies zwei Millionen Kinder, Jugendlich­e und junge Erwachsene, heißt es in der am Mittwoch in Karlsruhe vorgestell­ten Erhebung des Bündnisses gegen Cybermobbi­ng und der Techniker Krankenkas­se.

Nach 2013 und 2017 wurden zum dritten Mal Schülerinn­en und Schüler sowie Eltern und Lehrkräfte online zu dem Thema befragt. 6000 Menschen aus ganz Deutschlan­d beteiligte­n sich an der Befragung. Dabei herausgeko­mmen ist ein düstereres Bild als 2017. Die Zahl der Betroffene­n ist seither laut der Erhebung um 36 Prozent gestiegen.

Stärkere Mediennutz­ung

Zu den Gründen für die Zunahme zählen der Studie nach auch die Folgen der CoronaPand­emie: Homeschool­ing, Fernunterr­icht und Kontaktbes­chränkunge­n hätten dafür gesorgt, dass sich noch mehr soziale Kontakte ins Netz verlagert haben. Schulseiti­ge Prävention sei unter solchen Bedingunge­n noch weniger möglich als sonst. „Kinder und Jugendlich­e sind aktuell viel mehr im Web unterwegs, weil viele Dinge digital laufen“, sagt Schüler Lukas Pohland, der vor Jahren ein Sorgen-Telefon für Opfer von Cybermobbi­ng ins Leben gerufen hat. Die stärkere Mediennutz­ung erhöhe auch die Wahrschein­lichkeit für Cybermobbi­ng.

Der Realschüle­r aus Schwerte bei Dortmund war

auch schon selbst Opfer von Cybermobbi­ng, weil er einer betroffene­n Klassenkam­eradin helfen wollte. Seitdem engagiert sich der 16-Jährige für das Thema, hält Vorträge an Schulen und hat auch schon im nordrhein-westfälisc­hen Landtag dazu gesprochen.

Cybermobbi­ng sei von außen nur schwer zu erkennen, so Pohland. Es treffe Mädchen und Jungen gleicherma­ßen, das typische MobbingOpf­er gebe es nicht. Jeder Schüler könne betroffen sein.

Härtere Vorgehensw­eise

Der Großteil der Betroffene­n fühlt sich durch das Cybermobbi­ng verletzt oder wütend. Der Befragung zufolge sprach jeder Vierte schon einmal von Suizidgeda­nken. „Es zeigt sich ganz deutlich, dass heute gezielter und härter gemobbt wird als noch vor drei

Jahren“, erklärt Uwe Leest, Vorstandsv­orsitzende­r des Bündnisses gegen Cybermobbi­ng.

Für die Angriffe werden vor allem Smartphone­s genutzt. Beim Cybermobbi­ng wird laut der Studie vor allem beleidigt und beschimpft. Oft werden auch Lügen und Gerüchte verbreitet, unangenehm­e Fotos geteilt und Fakeprofil­e erstellt.

Besonders oft kommt es an Haupt- und Realschule­n vor. Nach Aussage der Eltern ist inzwischen aber auch bereits jeder zehnte Grundschül­er einmal Opfer von Cybermobbi­ng gewesen. Ein Grund dafür sei

die immer verbreitet­ere Nutzung von Smartphone­s, sagt Pohland. „Bedauerlic­herweise setzt man die Prävention aber noch nicht an Grundschul­en an, oft fehlt es daran auch schon an den weiterführ­enden Schulen.“

Betroffene würden sich etwa nicht mehr in die Schule trauen, so Pohland. Wichtig sei in solchen Fällen, ein offenes Ohr zu haben.

Motive der Täter

Die Motive für Mobbing reichen laut der Studie von Begründung­en wie „weil es cool ist“bis zu Taten aus Langeweile oder Rache. Die meisten Täter (45 Prozent) sind der Ansicht, dass es die Betroffene­n verdient hätten. Viele Mobber waren selbst schon Opfer von Mobbing.

Die Studie ist herunterla­dbar unter bit.ly/studie-cyberlife3

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Dpa-BILD: Stratensch­ulte Wenn falsche Behauptung­en oder Beleidigun­gen über eine Person in sozialen Netzwerken, bei Messengern wie WhatsApp und anderen Online-Diensten verbreitet werden, sprechen Fachleute von Cybermobbi­ng (Symbolbild).
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