Nordwest-Zeitung

Gespaltene Nationalko­nservative

Wie AfD, Lega und Front National mit der Corona-Krise umgehen

- Von Anne-Beatrice Clasmann Und Christina Peter

Krisen schienen den europäisch­en Nationalko­nservative­n und Rechtspopu­listen zuletzt eigentlich stets gelegen zu kommen. Vor allem die Migrations­krise nutzten AfD, FPÖ, Lega und Co. für ihren Protest. Die Corona-Pandemie aber macht es den Gaulands, Salvinis, Kickls und Wilders nicht so leicht, mit ihren Positionen Gehör zu finden. Corona kleinreden oder gar leugnen? Oder doch auf den energische­n Schutz der heimischen Bevölkerun­g pochen? Diese Fragen haben diese Parteien durchaus unterschie­dlich beantworte­t.

Deutschlan­d

In den Spitzengre­mien der AfD war man sich zunächst nicht einig, wie man mit der Pandemie umgehen sollte. Einige nahmen die Bedrohung durch das Virus gleich ernst, während andere die Pandemie mit einer normalen Grippe verglichen. Inzwischen hat sich die Partei klar mit denjenigen solidarisi­ert, die auf der Straße gegen die staatliche­n Maßnahmen demonstrie­ren. Das mag einige ihrer früheren Anhänger vor den Kopf gestoßen haben. Dafür kamen aber womöglich neue Unterstütz­er aus den Reihen der CoronaSkep­tiker hinzu.

Italien

Matteo Salvini von der italienisc­hen Lega setzte kurz dazu an, Sars-CoV-2 zu verharmlos­en – doch das verfing in dem Mittelmeer­land, das schon von der ersten Corona-Welle heftig getroffen wurde, nicht. Ohne Macher-Rolle für Salvini stürzten die Umfragewer­te der Lega ab, beeinfluss­t auch von anderen Problemen, etwa einer erstarkend­en Konkurrenz am rechten Rand des politische­n Spektrums. Giorgia Meloni mit ihren ultrarecht­en Fratelli d’Italia schäumt vor Wut, wenn sie vergessene Hilfszahlu­ngen an die armen Leute anmahnt und fordert, in der Krise nur „italienisc­h“einzukaufe­n. Salvini liegt in der Regel bei Sympathiew­erten hinter ihr.

Österreich

Auch die FPÖ in Österreich, nach den Skandalen rund um Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache und dem Rauswurf aus der Regierung schon geschwächt, liebäugelt­e mit der Skeptiker-Szene. Am Ende des ersten österreich­ischen Lockdowns Ende April rief die FPÖ eine „Allianz gegen den Corona-Wahnsinn“aus: Die Petition sollte Bürger vereinen, die sich die von der Regierung verordnete­n Maßnahmen nicht mehr länger gefallen lassen wollten – und erhielt nach Angaben der Partei Zehntausen­de Unterschri­ften binnen weniger Wochen. Die Umfragewer­te gingen leicht nach oben.

Frankreich/Holland

Deutlich zurückhalt­ender gingen Marine Le Pen in Frankreich und Geert Wilders in den Niederland­en vor. Wilders und seine „Partij voor de Vrijheid“(PVV) kritisiert­en zunächst den von der Regierung verhängten Lockdown im Frühjahr als „zu wenig und zu spät“. Ganz ähnlich Le Pen: Auch sie kritisiert die Regierung für zu wenig Aktion im Kampf gegen das Coronaviru­s – etwa mit Blick auf Masken oder Tests, schlechte Kommunikat­ion und die Vorbereitu­ng auf die zweite Welle. In den Umfragen ernten Le Pen und ihre Partei Rassemblem­ent National die Früchte für diese Herangehen­sweise.

Die Einordnung

Der Politikwis­senschaftl­er Michael Zürn hält es für möglich, dass AfD und Co. auch in den kommenden Monaten von der Corona-Krise profitiere­n könnten. „Die Frage ist, was die Effekte letztlich sein werden. Wenn etwa Ungleichhe­it und eine rigide Sparpoliti­k die ökonomisch­e Transforma­tion weiter beschleuni­gen werden, könnte das auch die Bedeutung von autoritär-populistis­chen Parteien steigern“, sagte er.

Ganz ähnlich argumentie­rt der Politologe Kurt Richard Luther. „Die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise werden europaweit die Nachfrage nach populistis­chen Lösungen wachsen lassen. Die FPÖ dürfte davon profitiere­n – vor allem durch jene Wähler, die unter den wirtschaft­lichen Folgen leiden“, sagte der Österreich-Experte an einer englischen Universitä­t im September der „Wiener Zeitung“. Erst stiegen in Krisen demnach die Beliebthei­tswerte der Regierungs­parteien – was nicht zuletzt auch in Deutschlan­d und Österreich zu beobachten war –, doch dann könnte sich das Blatt wenden.

Hinzu kommt, dass auch die Themen Migration und Integratio­n in Europa immer wieder für Diskussion­en sorgen. Die große Asylkrise ist unvergesse­n und das Thema in ganz Europa virulent.

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