„Rechtsextreme versuchen, die Proteste zu nutzen“
Experte erklärt Verschwörungserzählungen und NS-Vergleiche bei Querdenken-Demos
Die Demonstrationen der Oldenburger Querdenken-Bewegung beobachtet Jan Krieger von der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus für Demokratie von Beginn an. Im Interview spricht er über die Bewegung und erklärt, warum sie für Rechtsextreme attraktiv ist.
Die Querdenker betonen, dass sie eine friedliche Bewegung sind und für Extremismus und Antisemitismus keinen Platz haben. Gleichzeitig nehmen bekannte Neonazis an den Veranstaltungen teil und es finden sich in den Chats Nachrichten mit rechtsextremem Gehalt – wie passt das zusammen? Jan Krieger: Es gibt ein Bindeglied zwischen der extremen Rechten und der QuerdenkenBewegung. Das sind Verschwörungserzählungen, die oftmals strukturellen Antisemitismus beinhalten. Gesellschaftlich komplexe Phänomene werden verkürzt dargestellt und Schuldige gesucht. Es wird behauptet, es gebe eine Elite, die im Geheimen das Weltgeschehen kontrolliere. Dabei wird auf Schlagwörter wie „Marionettenspieler“, „Hochfinanz“oder „parasitäre Eliten“zurückgegriffen, die eine langjährige antisemitische Tradition haben. Im zweiten oder dritten Schritt werden nicht selten jüdische Personen namentlich genannt. Ein Beispiel ist der US-Milliardär George Soros.
Solche und andere Verschwörungsmythen sind schon immer in der extremen Rechten weit verbreitet gewesen. Rechtsextreme versuchen, die Proteste für sich zu nutzen. Verschwörungsmythen und eine nicht vorhandene oder nur oberflächliche Abgrenzung durch die Querdenker nach rechts machen es ihnen einfach.
Was bezwecken die Teilnehmer der Querdenken-Demonstrationen mit NS- und Holocaust-Vergleichen?
Jan Krieger: Die Demonstranten begeben sich in eine Opferrolle und inszenieren sich gleichzeitig als mutige Widerstandskämpfer und -kämpferinnen gegen ein System, das sie als diktatorisch empfinden. Das demokratische System wird delegitimiert und
Und in Oldenburg? Ist hier eine Radikalisierung zu beobachten?
Jan Krieger: Während die Diskussionen in Gruppenchats anfangs noch gemäßigt verliefen, ist auch hier eine Radikalisierung deutlich feststellbar. Sowohl inhaltlich als auch sprachlich. Die Selbstinszenierung als Widerstandskämpfer kann zudem dazu führen, dass Personen nicht mehr nur demonstrieren, sondern auch andere Maßnahmen ergreifen.
Als besonders gefährlich empfand ich es, als in einem Chat personenbezogene Daten über Personen veröffentlicht wurden, die sich gegen die Querdenker positioniert haben. Gefährlich fand ich auch die Anregung eines Chat-Teilnehmers, der in verschiedenen QuerdenkenChats – auch Oldenburg – aktiv gewesen ist. Er behauptete, Kontakte zu Bremer und Oldenburger Hooligans zu haben. In einer Bremer Gruppe regte er indirekt dazu an, die Hooligans bei den Querdenken-Kundgebungen einzubeziehen, um gegen die Gegendemonstranten vorzugehen. Wer weiß, was als nächstes kommt.