Kirche will Skandal vermeiden
Wissenschaftler werfen Bistum Münster Versagen vor
Neuscharrel/Münster – Der Fall Helmut Behrens offenbart das komplette Versagen des Bistums Münster im Missbrauchsskandal. Der Priester hatte in mehreren Fällen Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht. Mindestens zwei Übergriffe gab es in Neuscharrel (Kreis Cloppenburg). Ein neunjähriges Kind und ein Jugendlicher sind in den 1980erJahren nachweislich Opfer von Pfarrer Behrens geworden. Dazu hätte es allerdings nie kommen dürfen, wenn die katholische Kirche angemessen reagiert hätte. Daran lässt ein Forscherteam der Uni Münster keinen Zweifel.
Das fünfköpfige Team von Wissenschaftlern ist vom Bistum Münster mit der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs durch Priester und Diakone im Bistum beauftragt. Am Mittwoch stellten sie in einer Online-Pressekonferenz ein Zwischenergebnis der Studie vor. Die Aufarbeitung der Fälle bezieht sich auf den Zeitraum 1945 bis 2018. Laut Akten des Bistums, auch des Geheimarchivs, ergaben sich Beschuldigungen wegen
sexuellen Missbrauchs gegen 200 Priester. Betroffen sind 300 minderjährige Opfer.
Fall Behrens im Visier
Das Forscherteam hat sich den Fall Behrens ganz genau angeschaut. Mit erschreckenden Erkenntnissen. Der gebürtige Altenoyther wird 1971 zum Priester geweiht. Danach arbeitet er als Kaplan in Vreden (Münsterland), in Beverbruch (Landkreis Cloppenburg) und in Dinklage (Landkreis Vechta). 1979 wendet sich Behrends hilfesuchend an seine Vorgesetzten. Er könne nicht mit seiner eigenen Sexualität umgehen. Er wird zu einer Therapie geschickt, die
bereits nach zehn Stunden wieder abgebrochen wird. Behrends bekommt Einsatzfähigkeit bescheinigt. Laut Unterlagen gibt ihm der Therapeuten auf den Weg, er solle offener mit seiner Sexualität umgehen. Dann wird er als Seelsorger nach Neuscharrel geschickt.
In dem Dorf kommt es zu sexuellen Übergriffen durch den Priester. Als diese öffentlich werden, informiert Dechant Alfons Bokern seinen Vorgesetzten Weihbischof Max Georg von Twickel in Vechta. Auch der damalige Generalstaatsanwalt Dr. Ferdinand Cloppenburg erhält Kenntnis von dem Fall. Dieser wird mit dem Satz zitiert:
„Bringt ihn da weg, sonst holen wir ihn!“Behrens wird abgeholt und vorübergehend in einem Kloster untergebracht. Ein juristisches Nachspiel haben seine Taten nicht.
Kurze Zeit später wird er wieder als Seelsorger eingesetzt. In den westfälischen Gemeinden Stromberg (Oelde) und Heiden (Kreis Borken). Behrends missbraucht in beiden Orten erneut Kinder. Es ist anzunehmen, dass der damalige Bischof Reinhard Lettmann und der damalige Generalvikar Werner Thissen längst Kenntnis von den Taten hatten. Doch erst 1986 wird Behrens die Befähigung zur Seelsorge aberkannt und aus dem Kirchendienst entfernt.
Um Opfer geht es nicht
„Den Skandal zu vermeiden und damit die Kirche als Institution zu schützen, aber auch den ‚Mitbruder‘ in seiner priesterlichen Existenz nicht zu gefährden – das waren Motive für diese Vorgehensweise“, sagte der Leiter der Forschungsgruppe, Professor Dr. Thomas Großbölting. Um die Opfer sei es der Kirche dabei nie gegangen.