Furioses Wirecard-Finale Ende April
Kanzlerin und Minister sagen vor dem Untersuchungsausschuss aus – Wie die Lage ist
Berlin – Das Finale verspricht furios zu werden: erst Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), zwei Tage später sein Kollege aus dem Finanzressort Olaf Scholz (SPD) und einen Tag danach, am 23. April, als Krönung, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Untersuchungsausschuss des Bundestags zum wohl größten deutschen Finanzskandal der Nachkriegszeit um den früheren Börsenstar Wirecard, mit dessen Zusammenbruch ein Börsenwert von 20 Milliarden Euro vernichtet wurde, geht unverkennbar in die Schlussrunde. Was erwarten sich die Beteiligten von den Befragungen der Regierungsprominenz?
Gemeinsame Kritik
In einer bemerkenswerten Dreier-Allianz mit seinen Kollegen Danyal Bayaz von den Grünen und Fabio De Masi von den Linken stellte der Liberale Florian Toncar am Mittwoch die Zwischenbilanz der Opposition nach viereinhalb Monaten Untersuchungsarbeit vor. Die fiel für die Aufsichtsbehörden und Ermittlungsorgane mitsamt der zuständigen Ministerien im Bund und im Freistaat Bayern katastrophal aus.
Doch auch die Vertreter der Koalitionsparteien sparten
Wirecard-Logo am Hauptsitz im bayerischen Aschheim: Der Untersuchungsausschuss zum größten deutschen Finanzskandal der Nachkriegszeit geht in die Schlussrunde.
nicht an Kritik. Hans Michelbach (CSU), Unions-Finanzpolitiker, sieht eine organisierte Verantwortungslosigkeit. „Wir haben gesehen, dass es ein erhebliches Versagen auf breiter Front gab, von den zuständigen Aufsichtsbehörden bis hinauf auf die politische Ebene“, sagte er unserem Berliner Büro.
Sein SPD-Pendant Jens Zimmermann beklagt „immer
neue Abgründe“, die der Ausschuss aufgedeckt habe.
Der Grünen-Finanzpolitiker Bayaz hat ein paar ganz persönliche „Bilanzzahlen“zusammen geschrieben. Gut 50 Zeugen und Sachverständige habe der Ausschuss bislang gehört, durchweg zwei bis drei Stunden in jedem Einzelfall, manchmal mehr. 270 Gigabyte Daten seien zusammengetragen worden. „Es wurde
ordentlich etwas geschafft – aber es hat sich auch gelohnt“, lautet sein Fazit.
Wenig Mithilfe
Von der Bundesregierung, so ein zentraler Vorwurf der Oppositionsabgeordneten, habe man entgegen gegenteiliger Zusicherungen wenig Unterstützung erfahren. „Die Bundesregierung weiß sehr genau, wo die Steine liegen – und sie lässt sie da auch liegen“, klagt Bayaz. Erst wenn der Ausschuss nachhake, lenke man ein. Besonders Scholz habe sich hier negativ hervorgetan.
Das Zwischenfazit zum Aufklärungserfolg von Toncar fällt positiv aus. Die Frage, ob frühzeitig erkennbar war, was bei Wirecard geschah, beantwortet er mit einem klaren Ja. „Wir können heute festhalten, dass es triftige, fundierte Hinweise (…) auf kriminelles Verhalten bei Wirecard, nicht nur aus der Zeitung, sondern auch aus einer ganzen Reihe anderer Quellen gab“, sagte er.
Systemversagen
Der Linken-Finanzpolitiker De Masi spricht von „einer ganzen Anzahl von fleißigen Beamten, denen etwas aufgefallen ist“– ohne dass etwas geschah. Noch großen Klärungsbedarf gebe es in der Frage, weshalb die Politik so zögerlich gehandelt habe. Für ihn spricht einiges dafür, dass man unbedingt einen globalen Player im Finanzgeschäft aus Deutschland wollte. Toncar spricht daher von einem „wohlwollenden Blick auf Wirecard“. Die drei Oppositionsleute wiesen die Theorie zurück, dass der Skandal allein auf Einzeltäter reduziert werden kann. „Dazu braucht es ein Netzwerk“, sagte De Masi. Insofern gehe es hier um „Systemversagen“.