Auf Johnson & Johnson muss die EU noch warten
Sorge um Exportbann in den USA – Scharfer Streit auch zwischen Brüssel und London
Brüssel – Über die gute Nachricht aus Amsterdam konnte sich an diesem Donnerstag in Brüssel niemand so recht freuen: Die Europäische Medizinagentur empfahl nach wochenlanger Prüfung die Zulassung des vierten Covid-19Impfstoffs für den europäischen Markt. Es handelt sich um ein Präparat des US-Herstellers Johnson & Johnson.
Blanke Nerven
Doch der Impfstoff hat bisher einen großen Nachteil: Die EU wird noch wochenlang auf die ersten der bestellten 200 Millionen Dosen (36,7 Mio. sind für Deutschland bestimmt) warten. Nach Astrazeneca ist J&J also der zweite Hersteller, der nicht verbindlich mitteilen konnte, ab wann er die ersten Chargen nach Europa ausliefert. Die Warnung, so hieß es von dem
Unternehmen, sei „eine Vorsichtsmaßnahme“und bedeute nicht, dass die Ziele in jedem Fall verfehlt würden. Experten in Brüssel sprachen von Mitte bis Ende April.
Aber auch diese Angaben hängen davon ab, ob die USRegierung von Präsident Joe Biden mitspielt. Denn das Vakzin wird zwar unter anderem von der J&J-Tochter Janssen im niederländischen Leiden hergestellt, aber in den USA abgefüllt. Die verhindern die Ausfuhr fertiger Impfstoffe aber derzeit noch immer mit einem Exportbann, den der frühere Präsident Donald Trump erlassen hat.
In Brüssel liegen angesichts der schleppenden Lieferungen die Nerven blank, was inzwischen zu einem handfesten Skandal geführt hat. EU-Ratspräsident Charles Michel hatte in einem Newsletter am Dienstag neben den USA auch Großbritannien vorgehalten, keine Impfstoffe zu exportieren. Daraufhin sah sich Premier Boris Johnson veranlasst, die Unterstellung, London habe ein Ausfuhrverbot erlassen, zurückzuweisen.
Tatsächlich hat London keinen formellen Exportbann erlassen. Dennoch konterte Michel: Er habe die Johnson-Regierung gefragt, wie viele Dosen sie bisher an andere Länder geliefert habe – und warte noch immer auf die Antwort.
Viele Ausfuhren
Am Donnerstag legte die EU-Kommission neue Zahlen vor: Demnach hat die Union von 249 Exportanfragen 248 genehmigt und so Ausfuhren an 31 Staaten in aller Welt möglich gemacht. Mit 9,1 Millionen Dosen gingen die meisten übrigens nach Großbritannien. Das Fazit in Brüssel lautet: „Die EU ist der führende Lieferant von Impfstoffen in der Welt.“Das stimmt, löst aber das Problem der Kontingentkürzungen vor allem des Herstellers Astrazeneca nicht.
Detlef Drewes über die Impfstrategie der Europäischen Union