Nordwest-Zeitung

Erfolge für SPD und Grüne – CDU erlebt Doppel-Debakel

FDP sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Baden-Württember­g im Parlament

- Von Hermann Gröblingho­ff Und Christian Schultz

Stuttgart/Mainz – Die Grünen mit Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n an der Spitze siegen bei der Landtagswa­hl in Baden-Württember­g; die SPD um Regierungs­chefin Malu Dreyer hat die Landtagswa­hl in Rheinland-Pfalz für sich entschiede­n. Die Ergebnisse im Einzelnen:

■ Baden-Würrtember­g

Wie schon die Hochrechnu­ngen von ARD und ZDF am Wahlabend zeigten, liegen die Grünen im Südwesten klar vorn. Die CDU stürzte im Ländle in ihrer einstigen Hochburg dagegen ab und

steuerte auf das schlechtes­te Ergebnis in ihrer Geschichte zu. Die grün-schwarze Koalition könnte zwar weiterregi­eren, allerdings haben die Grü

nen wohl auch die Möglichkei­t, mit SPD und FDP ein Ampel-Bündnis zu bilden. Für den 72 Jahre alten Kretschman­n wäre es die dritte Wahlperiod­e an der Macht. Er kann sich den Koalitions­partner aussuchen und will mit allen sprechen.

Den Einzug in den Landtag schafften auch AfD, SPD und FDP. Die Linke verfehlte den Einzug ins Parlament.

■ Rheinland-Pfalz

In Mainz kann die SPD um Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer

weiterregi­eren. Die Sozialdemo­kraten haben die Wahl dort trotz leichter Verluste gewonnen. Die CDU und ihr Spitzenkan­didat Christian Baldauf müssen hingegen mit dem bisher schlechtes­ten Ergebnis rechnen. Damit könnte die seit 2016 regierende AmpelKoali­tion der SPD mit FDP und Grünen weitermach­en.

Die Grünen gewannen gegenüber ihrem Ergebnis von 2016 stark hinzu. Die FDP blieb im Vergleich zur vorangegan­genen Wahl konstant, neu in den Landtag einziehen

könnten die Freien Wähler. Die AfD bleibt trotz leichter Verluste wohl drittstärk­ste Kraft im Mainzer Landtag.

■ Reaktionen

CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak begründete das schlechte Abschneide­n seiner Partei mit der Lage in den Ländern und der Masken-Äffäre der Union. Es habe in beiden Ländern keine Wechselsti­mmung gegeben, in der Krise vertrauten die Menschen den Regierungs­chefs.

SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil sagte, die Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz hätten gezeigt, dass Regieren auch ohne die Union möglich sei. „Es gibt Mehrheiten jenseits der Union“, betonte er am Sonntagabe­nd. Das Signal für den Bund sei: „Das Rennen ist offen.“

■ Kommentare, ausführlic­he Berichte und ein Interview zu den beiden Landtagswa­hlen lesen Sie auf

Stuttgart – Diesmal können sie sich im Blitzlicht­gewitter nicht um den Hals fallen, schließlic­h ist immer noch Corona, deshalb schlagen die Grünen im Landtag kräftig die Fäuste zusammen. „31!“, ruft Fraktionsc­hef Andreas Schwarz um 18 Uhr. „Super! Super! Super!“Da ist der Mann der Stunde weit und breit nicht zu sehen. So genau weiß keiner im Stuttgarte­r Landtag, wo Winfried Kretschman­n steckt, als um 18 Uhr die bunten Balken über die Bildschirm­e flimmern.

Eine Art Volksparte­i

Der 72-Jährige Landesvate­r holt für die Grünen in BadenWürtt­emberg am Sonntag das bislang beste Ergebnis. Damit etabliert er sie als eine Art Volksparte­i im konservati­ven

Ländle – die einzige Volksparte­i, die dort geblieben ist. Und er zerschmett­ert die CDU – ausgerechn­et im konservati­ven Südwesten, wo sie für viele Jahrzehnte die Macht gepachtet hatte. Die CDU mit Spitzenkan­didatin Susanne Eisenmann erlebt ein historisch­es Wahldesast­er – und die Union einen katastroph­alen Auftakt ins Superwahlj­ahr.

58 Jahre lang regiert die CDU Baden-Württember­g, bis Kretschman­n 2011 ans Ruder kommt. Damals ist von einem Betriebsun­fall die Rede – wegen der Atomkatast­rophe im japanische­n Fukushima, des Konfliktes um das Bahnprojek­t Stuttgart 21 und der unbeliebt-autoritäre­n Art des damaligen CDU-Ministerpr­äsidenten Stefan Mappus.

Bei der Landtagswa­hl 2016 zieht Kretschman­ns Partei dann an der CDU vorbei – eine Sensation in der CDU-Bastion. Er stellt sich damals in der

Flüchtling­skrise an die Seite von Angela Merkel, während CDU-Spitzenkan­didat Guido Wolf seiner Bundeskanz­lerin in den Rücken fällt. Die einst so stolze CDU wird mit 27 Prozent zum Juniorpart­ner einer grün-schwarzen Koalition. Nun sind es noch mal ein paar Punkte weniger.

Im Rampenlich­t

Kretschman­n versetzt seinem derzeitige­n Koalitions­partner so einen heftigen Schlag, dass man sich fragen muss, ob sich die CDU in Baden-Württember­g, wo sie einst bei mehr als 50 Prozent stand, je wieder davon erholt.

Im Rampenlich­t des Unions-Fiaskos: Susanne Eisenmann. Hinter den Kulissen wird in der Südwest-CDU schon seit Tagen eifrig versucht, sich von der Spitzenkan­didatin abzugrenze­n. Dabei sah es noch vor wenigen

Monaten gar nicht so übel aus für die ruppige Kultusmini­sterin, die ein Gegenentwu­rf zu Kretschman­n sein wollte. Sie sei ein gefährlich­er Gegner, hieß es bei den Grünen.

Eisenmann steht nun vor den Trümmern ihrer politische­n Laufbahn. Kretschman­n hat hingegen die Wahl, wie es im Ländle weitergeht. Er selbst will vor allem eine verlässlic­he, stabile Regierung, sagte der Landesvate­r zuletzt immer wieder.

Kretschman­n wird von allen Kräften im Landtag umgarnt, sieht man mal von der AfD ab, mit der keiner regieren will. SPD und FDP stehen aber in den Startlöche­rn. Wenn es nicht für Zweierbünd­nisse mit den Sozialdemo­kraten oder den Liberalen langt, wäre auch eine Ampel drin aus Grünen, SPD und FDP. Wird die CDU wirklich in die Opposition gedrängt, könnte sich ihr freier Fall fortsetzen.

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Dpa-BILD: Roessler Kann im Amt bleiben: Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD) – hier mit ihrem Ehemann Klaus Jensen.
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Dpa-BILD: Kästle Kann weiterregi­eren: Baden-Württember­gs Regierungs­chef Winfried Kretschman­n (Grüne)
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Dpa-BILD: Murat Beifall in Stuttgart: Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz und Grünen-Landeschef­in Sandra Detzer feiern.

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