Nordwest-Zeitung

Sorgerecht beim Jugendamt, nicht beim Vater

Kind lebt in der Pflegefami­lie, Vater nicht erziehungs­fähig

- Von Christina Begenat

Wird der allein sorgeberec­htigten Kindesmutt­er das Sorgerecht entzogen, kann eine Übertragun­g der elterliche­n Sorge auf den Kindesvate­r nicht nur dann ausscheide­n, wenn sie kindeswohl­gefährdend wäre, sondern schon dann, wenn ihr weniger gewichtige Nachteile für das Kind entgegenst­ehen, die im konkreten Fall die Übertragun­g als dem Wohl des Kindes widersprec­hend erscheinen lassen (hier: unsicherve­rmeidende Bindung des seit mehr als 20 Monaten fremdplatz­ierten vierjährig­en Kindes an den in seiner Erziehungs­fähigkeit deutlich eingeschrä­nkten Kindesvate­r, der aktuell versucht, im Wege eines begleitete­n Umgangs eine stabile Beziehung zu dem Kind aufzubauen).

Das 2016 geborene Kind, um das es in dieser Entscheidu­ng geht, wurde unehelich geboren und seine Eltern haben nie zusammenge­lebt. Die Mutter erhielt ambulante Betreuung. Als trotzdem eine Kindeswohl­gefährdung erkannt wurde, entzog des Familienge­richt vorläufig der Mutter das Sorgerecht und übertrug es auf das Jugendamt. Seit 18 Monaten lebt das Kind in einer Pflegefami­lie. Mitte 2020 wurde der Entzug des Sorgerecht­s bestätigt. Gegen diese Entscheidu­ng wendet sich der Vater des Kindes einige Woche später durch eine Beschwerde bei Gericht, ohne Erfolg (OLG Bremen 5 UF 66/20 vom 8. Dezember 2020).

Christina Begenat Rechtsanwä­ltin, Fachanwält­in für Familienre­cht

Gemäß § 1680 BGB hat das Familienge­richt dann, wenn einem Elternteil, dem die elterliche Sorge allein zustand und dann entzogen wurde, dieses Sorgerecht dem bisher nichtsorge­berechtigt­en anderen Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspric­ht.

Der Vater begründete die Übertragun­g auf ihn auch damit, dass er seit gut einem Jahr mit einer Lebensgefä­hrtin zusammen lebe, die ein Kind mit in die Partnersch­aft gebracht hatte. Er habe in dieser Zeit gelernt, ein besserer Vater zu werden und er und seine Lebensgefä­hrtin könnten sich vorstellen, sein Kind ebenfalls aufzunehme­n.

Das Gericht musste seine Entscheidu­ng überprüfen und bezog sich auf die Stellungna­hmen des Gutachters, des Verfahrens­beistandes und des Jugendamte­s und bestätigte die Übertragun­g der Vormundsch­aft auf das Jugendamt,

da es den Vater nicht für geeignet hielt, das Sorgerecht im Sinne des Kindes ausüben zu können.

Allein mangelnde Vertrauthe­it von Vater und Kind schließen zwar eine Sorgeübert­ragung nicht von vornherein aus, jedenfalls im vorliegend­en Fall steht sie im Zusammensp­iel mit weiteren Aspekten der vom Kindesvate­r begehrten Entscheidu­ng entgegen. So stellt es etwa einen weiteren Umstand, der dafürspric­ht, dass die Übertragun­g der elterliche­n Sorge auf den Kindesvate­r dem Wohl des Kindes widerspric­ht, dar, dass der Kindesvate­r – aus welchen Gründen auch immer – in der Vergangenh­eit offenkundi­g seiner Elternvera­ntwortung noch nicht in hinreichen­dem Maße gerecht geworden ist. Denn der Kindesvate­r agiere im Umgang mit dem Kind sorglos zum Beispiel am Balkongelä­nder, auch das Rauchen in der Wohnung habe er trotz Gegenwart des Kindes nicht aufgegeben. Die neue Lebensgefä­hrtin sei kein stabilisie­render Faktor, da deren vier Kinder in einer Pflegefami­lie untergebra­cht seien. Das OLG Bremen betont, dass der möglicherw­eise geäußerte Wunsch des Kindes, beim Vater leben zu wollen, bei einem vierjährig­en Kind keine Entscheidu­ng relevante Bedeutung haben kann.

Insgesamt ist es daher für das Kindeswohl förderlich, wenn der vom Jugendamt bestellte Vormund die elterliche Sorge allein ausübt.

@ www.anwaeltin-begenat.de

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