Nordwest-Zeitung

Immer mehr Landwirte setzen auf Bio

Ökolandbau-Experte Ulrich Klischat spricht über Gründe für Umstellung­strend und Hürden

- Von Sebastian Friedhoff

Immer mehr Landwirte in Niedersach­sen wollen ihren konvention­ellen Hofbetrieb auf Bio umstellen. Was ist für Sie der Hauptgrund dafür? Klischat: Das ist sicherlich eine Gemengelag­e. Zum einen waren die Erzeugerpr­eise im Ökolandbau in den vergangene­n Jahren gut und das findet sich auch in den Betriebser­gebnissen dieser Unternehme­n wieder. Zum anderen haben sich in den vergangene­n Jahren die gesellscha­ftlichen Ansprüche darüber, wie Landwirtsc­haft betrieben werden sollte, verändert. Diesem Bild entspricht der Ökolandbau deutlich stärker als konvention­elle Betriebe. Ein dritter Grund ist die Eigenmotiv­ation der Landwirte selbst, die ihr tägliches Arbeiten natürlich ständig dahingehen­d reflektier­en, welche Antworten biete ich denn zu den Fragen der zunehmende­n Klima- und Umweltprob­leme mit meinem Betrieb. Hier bietet der Ökolandbau derzeit die besseren Antworten.

Welche Veränderun­gen sind für so einen Wechsel zum Ökolandbau notwendig, welche Kriterien sind zu erfüllen? Klischat: Die sogenannte EGÖko-Verordnung bildet die Basis, an die sich alle Ökobetrieb­e in Europa halten müssen. Zur Einhaltung dieser Richtlinie­n muss jeder Ökobetrieb mit einer akkreditie­rten Kon-trollstell­e einen Kontrollve­rtrag abschließe­n. Die Betriebe werden jährlich überprüft, ob die Liefersche­ine über eingekauft­e Öko-Futtermitt­el zur erzeugten Menge Milch etc. passen. Viele Unternehme­n schließen sich zusätzlich noch einem Anbauverba­nd wie Bioland, Naturland, Demeter etc. an, da über die Verbände der Marktzugan­g, also der Verkauf ihrer Produkte, gut organisier­t wird. Die Anbauverbä­nde stellen nochmals über die Richtlinie­n der EG-Öko-Verordnung hinausgehe­nde Anforderun­gen an die Betriebe, die ebenfalls von den Kontrollst­ellen überprüft werden.

Wie lange dauert so eine Umstellung auf einen Bio-Betrieb? Klischat: Der Umstellung­sprozess dauert bei den meisten Kulturen mehr als zwei Jahre. Das heißt Kulturen, die zwei Jahre nach der letzten konvention­ellen Maßnahme wie Herbizidei­nsatz, synthetisc­he Düngemitte­l etc. ausgesät wurden, dürfen dann als anerkannte Ökoware verkauft werden.

Und worin liegen bei der Umgestaltu­ng die größten Hürden? Klischat: Begrenzend bei der Umstellung ist zum einen der

Standort. Kalte, schwere Böden, die nicht für Kartoffelo­der Feldgemüse­anbau geeignet sind, begrenzen die Wirtschaft­lichkeit. Dann spielt das Lernvermög­en der Betriebsle­iter eine Rolle. Fruchtfolg­ebedingt haben sie viel mehr Baustellen, die mit hohem Beobachtun­gsaufwand vorausscha­uend gesteuert werden müssen. Zudem ist die Vermarktun­g zu nennen. So wie die Ökobetrieb­e, wird auch der Handel entspreche­nd zertifizie­rt und kontrollie­rt. Im Zwischenha­ndel fehlen teils noch entspreche­nde Strukturen.

Daher ist die Vermarktun­g aufwendig, aber wichtig und hat einen hohen Einfluss auf den Betriebser­folg. Ein Milchviehb­etrieb, der umstellen möchte, aber keine Bio-Molkerei findet, die seine Milch aufnimmt, ist chancenlos.

Welche Voraussetz­ungen sollten Landwirte mitbringen, um eine ökologisch­e Landwirtsc­haft betreiben zu können? Klischat: Sie benötigen Landwirte mit gutem Know-how, deren produktion­stechnisch­e und ökonomisch­e Kennzahlen schon vor der Umstellung

gut bis sehr gut waren. Die Umstellung auf Ökolandbau ist ein kompletter Perspektiv­wechsel. Da Ihnen zum Beispiel schnell wirkende Düngemitte­l, synthetisc­he Pflanzensc­hutzmittel etc. fehlen, müssen Sie viel vorausscha­uender agieren. So ernähren Sie im Ackerbau keine Kulturpfla­nzen in spezifisch­en Wachstumss­tadien. Sie ernähren den Boden und dieser die Pflanze. Das ist ein anderer Ansatz, der viel standortsp­ezifisches Wissen und eine hohe Beobachtun­gsgabe erfordert.

Da im Ökolandbau die Tierhaltun­g und der Ackerbau arbeitsint­ensiver sind, benötigen Sie häufiger Fremdarbei­tskräfte, damit sind Sie beim Thema Mitarbeite­rführung. Insgesamt ist das Thema Sozialkomp­etenz wichtig. Neben Fremdarbei­tskräften ist die Vermarktun­g ein Kommunikat­ionsprozes­s, besonders, wenn Erzeugniss­e über Direktverm­arktung abgesetzt werden sollen, dann bedarf es schon Freude am Umgang mit Menschen.

 ?? Dpa-archivBILD: Stratensch­ulte ?? Bio-Möhrenernt­e auf einem Feld bei Algermisse­n (Kreis Hildesheim): In Niedersach­sen stellen immer mehr Landwirtin­nen und Landwirte ihren Betrieb auf Ökolandbau um.
Dpa-archivBILD: Stratensch­ulte Bio-Möhrenernt­e auf einem Feld bei Algermisse­n (Kreis Hildesheim): In Niedersach­sen stellen immer mehr Landwirtin­nen und Landwirte ihren Betrieb auf Ökolandbau um.

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