Immer mehr Landwirte setzen auf Bio
Ökolandbau-Experte Ulrich Klischat spricht über Gründe für Umstellungstrend und Hürden
Immer mehr Landwirte in Niedersachsen wollen ihren konventionellen Hofbetrieb auf Bio umstellen. Was ist für Sie der Hauptgrund dafür? Klischat: Das ist sicherlich eine Gemengelage. Zum einen waren die Erzeugerpreise im Ökolandbau in den vergangenen Jahren gut und das findet sich auch in den Betriebsergebnissen dieser Unternehmen wieder. Zum anderen haben sich in den vergangenen Jahren die gesellschaftlichen Ansprüche darüber, wie Landwirtschaft betrieben werden sollte, verändert. Diesem Bild entspricht der Ökolandbau deutlich stärker als konventionelle Betriebe. Ein dritter Grund ist die Eigenmotivation der Landwirte selbst, die ihr tägliches Arbeiten natürlich ständig dahingehend reflektieren, welche Antworten biete ich denn zu den Fragen der zunehmenden Klima- und Umweltprobleme mit meinem Betrieb. Hier bietet der Ökolandbau derzeit die besseren Antworten.
Welche Veränderungen sind für so einen Wechsel zum Ökolandbau notwendig, welche Kriterien sind zu erfüllen? Klischat: Die sogenannte EGÖko-Verordnung bildet die Basis, an die sich alle Ökobetriebe in Europa halten müssen. Zur Einhaltung dieser Richtlinien muss jeder Ökobetrieb mit einer akkreditierten Kon-trollstelle einen Kontrollvertrag abschließen. Die Betriebe werden jährlich überprüft, ob die Lieferscheine über eingekaufte Öko-Futtermittel zur erzeugten Menge Milch etc. passen. Viele Unternehmen schließen sich zusätzlich noch einem Anbauverband wie Bioland, Naturland, Demeter etc. an, da über die Verbände der Marktzugang, also der Verkauf ihrer Produkte, gut organisiert wird. Die Anbauverbände stellen nochmals über die Richtlinien der EG-Öko-Verordnung hinausgehende Anforderungen an die Betriebe, die ebenfalls von den Kontrollstellen überprüft werden.
Wie lange dauert so eine Umstellung auf einen Bio-Betrieb? Klischat: Der Umstellungsprozess dauert bei den meisten Kulturen mehr als zwei Jahre. Das heißt Kulturen, die zwei Jahre nach der letzten konventionellen Maßnahme wie Herbizideinsatz, synthetische Düngemittel etc. ausgesät wurden, dürfen dann als anerkannte Ökoware verkauft werden.
Und worin liegen bei der Umgestaltung die größten Hürden? Klischat: Begrenzend bei der Umstellung ist zum einen der
Standort. Kalte, schwere Böden, die nicht für Kartoffeloder Feldgemüseanbau geeignet sind, begrenzen die Wirtschaftlichkeit. Dann spielt das Lernvermögen der Betriebsleiter eine Rolle. Fruchtfolgebedingt haben sie viel mehr Baustellen, die mit hohem Beobachtungsaufwand vorausschauend gesteuert werden müssen. Zudem ist die Vermarktung zu nennen. So wie die Ökobetriebe, wird auch der Handel entsprechend zertifiziert und kontrolliert. Im Zwischenhandel fehlen teils noch entsprechende Strukturen.
Daher ist die Vermarktung aufwendig, aber wichtig und hat einen hohen Einfluss auf den Betriebserfolg. Ein Milchviehbetrieb, der umstellen möchte, aber keine Bio-Molkerei findet, die seine Milch aufnimmt, ist chancenlos.
Welche Voraussetzungen sollten Landwirte mitbringen, um eine ökologische Landwirtschaft betreiben zu können? Klischat: Sie benötigen Landwirte mit gutem Know-how, deren produktionstechnische und ökonomische Kennzahlen schon vor der Umstellung
gut bis sehr gut waren. Die Umstellung auf Ökolandbau ist ein kompletter Perspektivwechsel. Da Ihnen zum Beispiel schnell wirkende Düngemittel, synthetische Pflanzenschutzmittel etc. fehlen, müssen Sie viel vorausschauender agieren. So ernähren Sie im Ackerbau keine Kulturpflanzen in spezifischen Wachstumsstadien. Sie ernähren den Boden und dieser die Pflanze. Das ist ein anderer Ansatz, der viel standortspezifisches Wissen und eine hohe Beobachtungsgabe erfordert.
Da im Ökolandbau die Tierhaltung und der Ackerbau arbeitsintensiver sind, benötigen Sie häufiger Fremdarbeitskräfte, damit sind Sie beim Thema Mitarbeiterführung. Insgesamt ist das Thema Sozialkompetenz wichtig. Neben Fremdarbeitskräften ist die Vermarktung ein Kommunikationsprozess, besonders, wenn Erzeugnisse über Direktvermarktung abgesetzt werden sollen, dann bedarf es schon Freude am Umgang mit Menschen.