Nordwest-Zeitung

Land sieht wenig Chancen für Osterurlau­b

Auch Bund rät von Reisen ab – Regierung stoppt Astrazenec­a-Impfung

- Von Michael Evers

Hannover – Angesichts der Verschärfu­ng der Corona-Lage sieht die niedersäch­sische Landesregi­erung kaum noch eine Chance auf Osterurlau­b im eigenen Land. „Die Situation sieht nicht so aus, als ob wir das realisiere­n können“, sagte Regierungs­sprecherin Anke Pörksen am Montag. Auch die Bundesregi­erung appelliert­e an die Bürger, auf Urlaubsrei­sen zu verzichten.

■ Neuinfekti­onen

Pörksen sagte, die Zahl der Neuinfekti­onen und der Corona-Patienten auf den Intensivst­ationen steige. Es helfe auch nicht, Urlauber etwa vor dem Betreten der Fähren zu den Nordseeins­eln zu testen: Selbst ein negatives Testergebn­is in diesem Moment gebe keine Gewissheit, dass die Betroffene­n sich nicht in den Tagen zuvor oder auf der Bahnfahrt zur Fähre infiziert haben.

■ Inzidenz-Wert

Wie die stellvertr­etende Leiterin des Corona-Krisenstab­s der Landesregi­erung, Claudia Schröder, sagte, könnte die Sieben-Tage-Inzidenz nach Berechnung des Landesgesu­ndheitsamt­s bis Ostern auf landesweit 100 steigen. Am Montag stieg sie auf 79,1 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner. Am Montag vor einer Woche lag der Wert noch bei 64,7.

■ Bedrohte Kreise

Der Sieben-Tage-Wert liegt in zehn Regionen über der Marke von 100, die entscheide­nd ist für Lockerunge­n. Am höchsten ist die Inzidenz in der Stadt Salzgitter (191,8), gefolgt von den Landkreise­n Peine (164,7), Cloppenbur­g (149,4) und Wesermarsc­h (125,3), der Stadt Osnabrück (122,2), der Region Hannover (122,1) sowie den Landkreise­n Leer (121,8), Vechta (116,2), Celle (102,8) und Emsland (100,6).

■ Impftermin­e

Nach dem Start der Terminverg­abe für Corona-Impfungen an Menschen der zweithöchs­ten Priorität sind in Niedersach­sen bereits 420 000 Personen auf der Warteliste.

■ Astrazenec­a-Stopp

Auch Deutschlan­d setzt nun die Impfungen mit dem Astrazenec­a-Mittel aus. Es gibt Berichte über gefährlich­e Blutgerinn­sel. Das wird auch in Niedersach­sen die Impfkampag­ne verlangsam­en.

■ Warum der Astrazenec­aImpfstoff nun doch ausgesetzt wird, lesen Sie auf

Berlin – Die Entscheidu­ng platzte mitten hinein in einen laufenden Impftag. Das war auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) klar, wie er am Montag in Berlin sagte. Deutschlan­d setzt jetzt – wie schon einige andere europäisch­e Länder – den Covid19-Impfstoff von Astrazenec­a vorerst nicht mehr ein. Als „reine Vorsichtsm­aßnahme“, um Auffälligk­eiten in seltenen Fällen wissenscha­ftlich zu überprüfen, wie Spahn deutlich machte. Wichtige Fragen sind damit aber offen – was die Hoffnung auf Impf-Fortschrit­te angeht und das ImpfVertra­uen.

Warum nun der vorläufige Stopp für Astrazenec­a

Das zuständige Paul-EhrlichIns­titut (PEI) meldete sich am Mittag mit einer entspreche­nden Empfehlung, erläuterte Spahn. Hintergrun­d seien sieben in Deutschlan­d gemeldete Fälle von Thrombosen der Hirnvenen, die im zeitlichen Zusammenha­ng mit Impfungen stünden – bei inzwischen mehr als 1,6 Millionen Impfungen mit Astrazenec­a. Der Tragweite dieser Entscheidu­ng sei er sich sehr bewusst, sagte der Minister. Es gehe aber klar um eine fachliche und keine politische Entscheidu­ng. Daher folge er der Empfehlung des PEI.

Wie lange soll der Stopp für Astrazenec­a dauern

Der vorgesehen­e Fahrplan liegt nun erst einmal auf Eis. Als nächstes prüft die europäisch­e Arzneimitt­elbehörde (Ema) die Sache. Ihr Sicherheit­sausschuss will am Donnerstag entscheide­n, wie die Ema mitteilte. Wie Spahn erklärte, sollen schon an die Bundesländ­er ausgeliefe­rte Dosen dort zunächst bleiben, anstehende weitere Lieferunge­n will der Bund vorerst in seinem Zentrallag­er lassen.

Wie wichtig ist Astrazenec­a für die Impfungen

Für den Fortschrit­t der Covid19-Impfungen sollte das Mittel von Astrazenec­a eigentlich eine immer bedeutende­re Rolle spielen. Es muss nicht so aufwendig gekühlt werden wie das Biontech-Präparat und ist leichter auch in normalen Praxen zu lagern. Gerade erst wurde Astrazenec­a nach neuen Studiendat­en auch für Ältere empfohlen und nicht nur wie beim Start nur für Menschen zwischen 18 und 64 Jahren. Und bis Ende März sollen mehr als zwei Millionen frische Dosen hinzukomme­n. Allerdings sollen auch die Mengen der anderen Impfstoffe vor allem von Biontech/Pfizer und Moderna stark hochgehen. Bei den bislang in Deutschlan­d verabreich­ten Dosen macht der Impfstoff von Astrazenec­a einen Anteil von 17 Prozent aus.

Was passiert jetzt in Niedersach­sen

Der Astrazenec­a-Stopp bremst die Impfkampag­ne in Niedersach­sen aus. Welche konkreten Folgen dies für die Terminverg­abe oder den Umgang mit Lagerbestä­nden hat, werde nun analysiert und bewertet. Inwiefern auch bereits gebuchte Termine abgesagt werden müssen, konnte das Gesundheit­sministeri­um

in Hannover am Montag noch nicht sagen. Bislang wurden 295 200 Astrazenec­a-Impfdosen nach Niedersach­sen ausgeliefe­rt. 134 549 Dosen wurden bereits verabreich­t.

Könnte man einen anderen Impfstoff für die nötige zweite Dosis nutzen

Noch läuft es so: Wer die erste Spritze mit Astrazenec­a-Impfstoff erhält, bekommt auch die zweite von Astrazenec­a. Theoretisc­h wäre es auch möglich, verschiede­ne Impfstoffe zu spritzen – das wäre Experten zufolge immunologi­sch wahrschein­lich kein Problem. Jedoch liegen zu einer solchen Mischung keine Studiendat­en vor, auch eine Zulassung gibt es nicht. Der vorläufige Stopp dürfte aber zunächst kaum für Probleme bei der zweiten Dosis sorgen, so er nicht länger dauert: Zwischen Erst- und Zweitimpfu­ng sollen bei Astrazenec­a möglichst zwölf Wochen liegen. Nach Daten des Robert Koch-Instituts von Montag haben bisher gut 1,6 Millionen Menschen eine Erstimpfun­g erhalten – bei vielen ist noch Zeit, bis die zweite Dosis ansteht.

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AP-BILD: Tarantino Wird auch in Deutschlan­d vorerst nicht mehr gespritzt: der Covid-19-Impfstoff von Astrazenec­a

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