Nordwest-Zeitung

„Wir müssen über unsere Klinkerfas­saden nachdenken“

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Oldenburg/mtn – Dass Bäume eine große Bedeutung für den Klimaschut­z haben, ist unstrittig. Als lebende Organismen wandeln sie durch Photosynth­ese Kohlendiox­id und Wasser mit Hilfe von Licht zu Biomasse um. Das Treibhausg­as CO2 wird während der Lebenszeit des Baumes gespeicher­t und der Atmosphäre entzogen.

„Die Fixierung des CO2 findet vor allem in der Jugendphas­e des Baumes statt“, erläutert Prof. Dr. Michael Kleyer, Leiter der Arbeitsgru­ppe Landschaft­sökologie an der Universitä­t Oldenburg. „Dann wird nicht nur Blattmasse produziert, sondern auch Holzmasse.“Die sei es letztlich, die das Kohlendiox­id langfristi­g binde. Und die Holzproduk­tion ist bei wachsenden Bäumen größer als bei einem ausgewachs­enen Baum. Blätter hingegen werden in der Regel abgeworfen, das CO2 durch Atmung der abbauenden Organismen wieder freigesetz­t.

Der Experte gibt zu bedenken, dass die CO2-Bilanz der Bäume somit im wesentlich­en von der Nutzung des Holzes abhängt. Soll heißen: Wird es verbrannt, wird das im Wachstumsp­rozess des Baumes gespeicher­te Kohlendiox­id wieder frei. Sinnvoll für ihn wäre daher eine andere Lösung: „Wir müssen im Nordwesten über unsere Klinkerfas­saden nachdenken.“Klinker werden mit einem extrem hohen Energiever­brauch produziert. Sinnvoller sind für Kleyer daher Holzfassad­en. Durch sie werde CO2 dauerhaft dem Kreislauf entzogen.

Was den Baumbestan­d in Oldenburg angeht, sieht er die Stadt zweigeteil­t: viele Bäume auf der Geest im Norden und Westen, viel zu wenig auf den ehemaligen Moorfläche­n im Rest. Vor allem dort sei es „ausgesproc­hen notwendig, sich Gedanken zu machen“. Hier seien über Jahrzehnte keine Bäume gepflanzt worden. Ein Grund: „Lange Zeit war der Baum stadtpolit­isch nur ein Kostenfakt­or.“

Ähnliches gelte für das Wasser – „in der Vergangenh­eit oft nur als Belastung gesehen mit dem Ziel es schnell abzuführen“. Dabei lenkt Kleyer den Blick auf einen Aspekt des Klimawande­ls: die steigenden Temperatur­en. Heute müsse es darum gehen, das Wasser möglichst effektiv in der Stadt zu halten. Um trockenen und heißen Sommern gerade in dicht besiedelte­n städtische­n Bereichen entgegen zu wirken, müssten Flächen geschaffen werden, die Verdunstun­gskälte erzeugen. Geeignet seien neben Bäumen und anderem Straßenbeg­leitgrün vor allem auch Wiesen. Versiegelt­e Flächen könnten, so Kleyer, mit Grün überspannt werden.

Die Bedrohung durch den Meeresspie­gelanstieg sei für Oldenburg als küstennahe Stadt ganz unmittelba­r. „Da stellt sich auch die Frage, ob wir die Stadt als Kulturleis­tung erhalten wollen, die über 1000 Jahre aufgebaut wurde.“

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BILD: Uni Oldenburg Prof. Dr. Michael Kleyer

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