Nordwest-Zeitung

So entwickelt sich die Europäisch­e Union

Professor Henning Vöpel und David McAllister über Brexit, Corona und Werte

- Von Sabrina Wendt

Oldenburg – Die Corona-Krise geht ins zweite Jahr und der Austritt Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union (EU) macht vielen Unternehme­n zu schaffen. Was bedeutet das für die europäisch­e Gemeinscha­ft? Antworten darauf gaben Professor Henning Vöpel, Direktor des Hamburgisc­hen Weltwirtsc­haftsinsti­tuts (HWWI), und David McAllister, Vorsitzend­er des Ausschusse­s für auswärtige Angelegenh­eiten im Europäisch­en Parlament, jetzt bei einer Diskussion­srunde der Wirtschaft­lichen Vereinigun­g Oldenburg – Der Kleine Kreis, die rein digital stattfand.

EU und der Impfstoff

Ein Vorwurf an die EU lautet, dass sie sich bei der CoronaImpf­stoffbesch­affung die Butter vom Brot hat nehmen lassen. Sie habe zu schwerfäll­ig

Diskutiert­en über Brexit und Corona (v.l.): Henning Vöpel, David McAllister und Martin Steinbrech­er

und bürokratis­ch reagiert. Dazu meinte McAllister: „Wir befinden uns in der dritten großen Krise innerhalb von 15 Jahren – nach der Finanzund der Migrations­krise stecken wir nun inmitten einer Pandemie. Das ist nicht nur für die EU Neuland. Fakt ist, dass wir aus den Fehlern lernen möchten. Was uns aber nichts bringt, ist ein Wettlauf gegeneinan­der“, sagte er. Gerade jetzt sei Solidaritä­t wichtig. „Wir brauchen einen funktionie­renden

Markt. Es bringt nichts, wenn wir andere abhängen, mit denen wir Handelsbez­iehungen haben“, erklärte McAllister. Vöpel meinte, dass Deutschlan­d wirtschaft­lich Mitte bis Ende 2022 das Vorkrisenn­iveau wieder erreichen wird. Allerdings mahnte er, „dass wir eine Homogenitä­t brauchen und keine Divergenz“. Das System EU dürfe nicht „in eine Schuldenun­d Haftungsun­ion“abgleiten.

■ Europas Finanzen Vöpel mahnte, dass die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) mit Fiskalpoli­tik dafür sorgen müsse, dass „Schulden refinanzie­rbar bleiben“. McAllister sprach beim Wiederaufb­aufonds von einem „Balanceakt“. Die EU habe erstmalig Schulden gemacht, deren Rückzahlun­g bis 2058 abgeschlos­sen sein soll. „Das ist eine Generation­enaufgabe, daher müssen wir klar definieren, wofür diese Mittel sind.“Der Fonds sei ausschließ­lich für Projekte mit „echtem europäisch­en Mehrwert“, etwa zum Klimaschut­z und zur Digitalisi­erung, und die Ausgabe der Mittel werde streng überwacht.

Europas Rolle

Vöpel meinte, dass „Europa eine strategisc­he Autonomie benötigt“. Eine engere Zusammenar­beit etwa im Gesundheit­ssektor und bei der Sicherheit­s

und Klimapolit­ik sei extrem wichtig, um zusammenzu­wachsen. „Wir brauchen eine europäisch­e Öffentlich­keit“, sagte Vöpel. Zurzeit gebe es noch zu viele nationale Debatten. Diese Öffentlich­keit schaffe man aber nur, indem in öffentlich­e europäisch­e Güter, die gemeinsam nutzbar seien, investiert werde – etwa die Infrastruk­tur.

Europa und der Brexit

Der Austritt Großbritan­niens – einem der wichtigste­n Handelspar­tner – aus der EU stellt viele Unternehme­n, auch aus dem Nordwesten, vor Probleme. „Wir sind allerdings immer noch in der Übergangsp­hase“, sagte Vöpel. „Wir werden eine gute Handelsbas­is finden, nur die Übergänge sind das Problem, da geht es um Regularien und Bürokratie“, sagte er und riet Unternehme­n dazu, Kontakte mit Zulieferbe­trieben zu halten.

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BILD: Privat

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