Nordwest-Zeitung

Der Gorbatscho­w Südafrikas

- Von Alexander Brüggemann

Frederik Willem de Klerk sieht sich nicht als Getriebene­r, sondern als Gestalter. Nicht als Egon Krenz, sondern als Michail Gorbatscho­w des Apartheid-Staates Südafrika. Er hatte das Heft des Handelns in der Hand, so betont de Klerk, als er im Februar 1990, auf dem Höhepunkt der weltweiten Euphorie der Wendejahre, das Ende der Rassentren­nung ankündigte. Am Donnerstag wird der Friedensno­belpreistr­äger 85 Jahre alt.

Seit über sechs Jahrzehnte­n ist de Klerk Kettenrauc­her. Zigaretten. Am meisten Qualm aber hat seine Friedenspf­eife mit Nelson Mandela (19182013) gemacht. Das Holz war einfach noch zu grün. Ein strammer Konservati­ver der Nationalpa­rtei mit astreinem burischen Politikers­tammbaum und der Staatsfein­d Nummer eins gemeinsam beim Rauchen? Historisch habe es gar keine andere Möglichkei­t gegeben, hat de Klerk immer erklärt.

Die Seiten, von denen er sich der „historisch­en Chance“argumentat­iv näherte, haben freilich mit den Jahren changiert. Anfang 1990 argumentie­rte er gegenüber seiner Partei NP, mit dem Verlust der sowjetisch­en Unterstütz­ung hätten die kommunisti­schen Kräfte unter den Schwarzen ihre Machtbasis verloren. Es gebe nun für die weiße Minderheit eine vielleicht letzte Chance, die Bedingunge­n für einen Frieden mitzugesta­lten, solange sie noch real an der Macht sei. In der Rückschau sagte de Klerk 2003: „Ich könnte heute noch Präsident sein. Aber dann hätte ich über Leichen gehen müssen, über Tausende Leichen. Und es wäre für eine Sache gewesen, die moralisch nicht zu rechtferti­gen ist.“Der mögliche Frieden hing trotzdem lange Zeit am Seidenen Faden. Nach den ersten freien Wahlen 1994 übergab de Klerk die Macht an Mandela.

Trotz mancher Ungereimth­eit im Wendejahr 1990: Als „Kanzler der Einheit“könnte sich de Klerk heute mit Zigarette zurücklehn­en als einer, der seinen Platz in der Geschichte sicher hat. Doch die Entwicklun­gen in seinem Land schmecken ihm nicht. Und zuletzt bröckelten – wie auch viele Errungensc­haften der „Regenbogen­nation“– einige Ecken am Denkmal de Klerk.

Er selbst trug kräftig dazu bei, als er Anfang 2020 in mehreren Interviews betonte, die Apartheid sei kein Verbrechen gegen die Menschlich­keit gewesen. Das sei bloß ein Konstrukt der Sowjets und des linken ANC. Ideologisc­h klingt das schwer nach einer Zeitschlei­fe zurück in 80er, medizinisc­h eher nach Altersstar­rsinn.

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Dpa-BILD: Neubauer Frederik Willem de Klerk

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