Oldenburger Händler kämpfen um ihre Kunden
Geschäftsleute aus Innenstadt und Stadtteilen über Sorgen und Stärken
Oldenburg – Die Einzelhändler sitzen seit einem Jahr weitgehend auf dem Trockenen. Ihr Online- und Termingeschäft kann die riesige Lücke bei weitem nicht schließen. Deshalb geht es darum, „wie wir die Kunden danach zurück in den stationären Handel bekommen“, sagt Michael MeibersHinrichs vom Oldenburger Skateshops „Dogtown“.
Rückkehr als Aufgabe
In einem NWZ-Chat zur Situation in Oldenburg mit den Geschäftsführern der Modehäuser „Bruns“und „Die Form“sowie des Werkzeugspezialisten Willers sagte Meibers-Hinrichs: „Das ist die Aufgabe des Handels, was sonst – aber nicht allein. Es geht auch darum: Welche Anreize schafft die Politik? Werden wir steuerliche Verbesserungen erreichen oder schaffen wir es, die großen intern ationalen Firmen gleichermaßen zu besteuern, und erreichen darüber eine Absenkung unserer Lasten? Wie schaffen wir gemeinsam eine bessere Innenstadt für alle?“
Die drängendste Frage sei jetzt, „wann wir unseren Geschäftsbetrieb wieder aufnehmen dürfen“, sagte Willers-Inhaber Jürgen König. „Noch immer gibt es nicht einmal eine wirkliche Öffnungsperspektive.“
Aus dem Blick dürften bei all dem nicht die Folgen des Lockdowns für die Mitarbeiter geraten, so Bruns-Geschäftsführer Uwe Andor: „Uns treibt das Thema sehr um. Der größte Teil ist jetzt mittlerweile ein Jahr in Kurzarbeit. Das macht einiges mit den Menschen. Aber gerade die machen doch den Unterschied, sie sorgen für das Persönliche und die Kundennähe.“
Die Zeit der Zwangspause im Laden werde als Chance zur Verbesserung genutzt, sagte „Die Form“-Inhaber Oliver Sklorz: „Nachdem der Stecker gezogen wurde, haben wir uns gefragt, ob das alles richtig ist, was wir machen -– vom Sortiment über die Ausrichtung bis zu Webshop und Social Media.“Der eingeschlagene Weg der Verbindung von stationär und online bestätige sich aber. „Wer digital nicht sichtbar ist, wird auch analog nicht gefunden“, sagte Sklorz.
Stärken nutzen
Auch angesichts einer möglichen erneuten Verlängerung der schwierigen Lage müsse die Organisation eines gemeinsamen Lieferdienstes der Händler dringlich vorangetrieben werden, so Sklorz.
Über die unverbrüchliche Stärke des – digital flankierten – stationären Einzelhandels im Wettbewerb mit großen Internet-Händlern sagte Jürgen König: „Wir sind persönlich. Wir sind kundennah. Nahbar. Hier beraten Menschen und keine Algorithmen. Und auch nach dem Kauf sind wir weiter für die Kunden da – wir sind ein gesellschaftsbildender Bestandteil im Leben der Menschen einer Stadt, einer Gemeinde, eines Ortes.“
„ Wir sind nahbar. Bei uns beraten Menschen – und keine Algorithmen.
Jürgen König Eisenwaren Willers, Oldenburg
NWZ: Corona und seit einem Jahr als Einzelhändler weitgehend auf dem Trockenen. Was beschäftigt Sie am stärksten?
Meibers: Wie bekommen wir die Kunden zurück in den stationären Handel? Welche Anreize schafft die Politik? Wie können wir mehr Einfluss nehmen, viele Projekte und auch Informationen werden immer und immer wieder mit den gleichen Kaufleuten in Oldenburg bespielt!? Werden wir steuerliche Verbesserungen erreichen, oder schaffen wir es, die großen internationalen Firmen gleichermaßen zu besteuern und erreichen darüber eine Absenkung unserer Lasten? Wie schaffen wir gemeinsam eine bessere Innenstadt für alle?
König: Wann dürfen wir unseren Geschäftsbetrieb wieder aufnehmen??
Und noch immer gibt es nicht einmal eine wirkliche Öffnungsperspektive?
Es ist nicht nur die Frage zu klären, wie wir den Kunden in den stationären Handel zurück bekommen, sondern wie? Und alle reden von der Innenstadt aber unsere 7 Stadtteile hat keiner auf dem Schirm.
Meibers: Wie bekommen wir die Kunden zurück in den stationären Handel? Welche Anreize schafft die Politik? Wie können wir mehr Einfluss nehmen, viele Projekte und auch Informationen werden immer und immer wieder mit den gleichen Kaufleuten in Oldenburg bespielt!? Werden wir steuerliche Verbesserungen erreichen, oder schaffen wir es, die großen internationalen Firmen gleichermaßen zu besteuern und erreichen darüber eine Absenkung unserer Lasten? Wie schaffen wir gemeinsam eine bessere Innenstadt für alle?
Sklorz: Neben alle Fragen, die sich natürlich aufdrängen (und schon hier genannt wurden), haben wir uns erstmal selbst infrage gestellt. Nachdem der „Stecker“...
... gezogen wurde, haben wir uns gefragt, ob das alles richtig ist, was wir machen angefangen vom Sortiment, Ausrichtung, Webshop, Social Media etc.
Nachdem wir das für uns beantworten konnten, war schnell klar, dass wir unseren Weg weitergehen wollen und wir die Verbindung von stationär und online für die Zukunft als richtig ansehen.
Wer digital nicht sichtbar ist, wird analog auch nicht gefunden.
Ich denke das wir noch mit dem Thema Lockdown durch sind. Ich gehe davon aus das die Inzidenz in Niedersachsen noch wieder über 100 steigen wird.
Deshalb sind für mich Fragen wichtig, die den Zusammenhalt in der Oldenburger Innenstadt fördern und binden:
Bekommen wir es hin, einen Lieferdienst innerhalb Oldenburgs zu organisieren (Fahrrad-, E-Bike, E-Auto- ggf. mit EWE?). Das ist ein MehrwertService, der im Lockdown hilft, aber auch nachdem Lockdown interessant ist.
NWZ: Stichwort Einkaufserlebnis Forscher sagen, wir sind noch immer viel mehr Jäger und Sammler, als wir selbst glauben – was in Bezug auf einen gut gemachten stationären Einzelhandel eine gute Nachricht sein könnte. Worin ist der lokale Einzelhandel deutlich stärker als der Großversender – und wo müsste er zulegen?
Meibers: Ich bin da voll bei Oliver, ohne eine Sichtbarkeit online wird es nicht mehr gehen! Aber online verkaufen um jeden Preis, das wird nicht gehen! Anbindung an Zalando oder andere Plattformen wird für uns auch immer schwieriger, denn unsere Lieferanten bedienen diesen Markt selber und verbieten uns den Anschluss! Nein, gemeinsamer Lieferservice, gemeinsam werben, Wertschätzung der Stadtteile und Verknüpfung ... ... aller eigenständigen Händler ist wichtig! Der gute Kontakt zum Kunden bedeutet, auch für andere Händler zu werben!
König: Der Einzelhändler: Wir sind persönlich. Wir sind kundennah. Nahbar. Hier beraten Menschen und keine Algorithmen. Auch nach dem Kauf für die Kunden da – und ein gesellschaftsbildender Bestandteil im Leben der Menschen einer Stadt, einer Gemeinde, eines Ortes. Meibers: So ist es...
Andor: Hallo, nochmal eben zu der Frage, was uns sehr beschäftigt, da sind schon sehr viele gute Punkte angesprochen worden. Je nach Geschäftsmodell und Größe sind auch unterschiedliche Herausforderungen zu bewältigen. Uns treibt auch das Thema Mitarbeiter sehr um. Der größte Teil ist jetzt mittlerweile ein Jahr in Kurzarbeit. Das macht einiges mit den Menschen. Aber gerade diese machen auch oft den Unterschied. In der Zukunft vor allem auch junge Menschen für diesen Beruf zu begeistern ist eine große Herausforderung. Das passt auch genau zu dem Thema persönlich und Kundennah.
Meibers: Was mir ganz wichtig war, dass alle zu 100% aufgestockt wurden! Die Mitarbeiter waren alle sehr motiviert in den letzten Monaten, und um so schlimmer habe ich es jetzt mitbekommen, was aus Kurzarbeitergeld werden kann! Eine langjährige Mitarbeiterin bekommt aktuell keinen Anschlusskredit, da sie im Januar komplett zu Hause war! Sie hat zwei Kinder, und schon deshalb musste sie zu Hause bleiben, jetzt werden die Gelder aus KUG nicht als Lohnerwerb gesehen und schon gibt es Probleme! Ich kann sie halten und helfen, andere werden in so einer Situation dem Handel den Rücken kehren, zu viel Risiko!
Sklorz: Der Vorteil des stationären Einzelhandels liegt auf der Hand. Bei uns kann man die Ware auch anfassen und bekommt echte Empfehlungen und Bewertungen - von Mensch zu Mensch.
Um aber den Trieb der Jäger und Sammler zu befriedigen, um in dem Bild zu bleiben, müssen wir halt auch auf dem IPad am Sonntag Abend auf dem Sofa zur Jagd einladen. Da kann noch zugelegt werden.
NWZ: Wie könnten Politik und Stadt dem Einzelhandel das Zurückkommen und Wiederaufleben erleichtern?
König: Es wäre für den Einzelhandel, aber auch für alle anderen Unternehmen ein großer Gewinn, wenn die Öffnungsschritte nicht an den Inzidenzzahlen festgemacht würden, sondern vielmehr von den individuellen Hygienekonzepten.
Die meisten Unternehmen können mit einer Einbahnstraßenregelung arbeiten. Es sind Spuckschutzwände und Masken vorhanden. Ferner ist es in vielen Unternehmen auch möglich, verschiedene Ein- und Ausgänge zur Verfügung zu stellen, denn jedes Unternehmen hat schließlich auch Notausgänge.
Das Pauschalisieren bei den Öffnungsschritten ist das entscheidende Problem. Offensichtlich würde es auch schon helfen, wenn aus verschiedenen Branchen jeweils Personen in eine Expertenrunde berufen würden und somit beratend zur Seite stehen könnten. Die Arbeits- und Abaufmethoden einiger Branchen sind der Politik nicht hinreichend bekannt.
Sklorz: Als Wünsche an die Stadt gäbe es Vieles, als Beispiele: Teilzeitstelle schaffen für Social Media – die Stadt berichtet über besondere Dinge, die man in der City erleben kann (Beispiel: handgemachtes X von Y, dieses gibt es nur in Oldenburg, besondere Themen, Stadtthemen, Händler A hat was ganz besonderes – nicht die normalen Sachen vorstellen, sondern das, ...
... was die Stadt mit den Händlern von anderen unterscheidet)
Steuervorteile für die Inhaber geführten und ortsansässigen Unternehmen zurzeit
Umlage zur Finanzierung/ Subventionierung von Leerstandsbeseitigung/ Förderung von neuen Geschäftsansiedlungen (Einlage von Hausbesitzern, Gewerbesteuererleichterung dort einzahlen etc.)
Wohnen in der Stadt fördern Da gibt es sicherlich noch viele Punkte die man mal diskutieren müsste - soweit nur kurz angerissen
König: Die Stadt Hameln hat ein Rettungspaket aufgelegt, ein Bündel mit 27 Punkten zur Wiederbelebung des wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Stadtlebens, für 1,2 Millionen Euro. Dazu gehören u.a. eine verstärkte Begrünung und Sitzmöglichkeiten, kulturelle Projekte in leerstehenden Geschäften, ein Street-Art und Theaterfest im September, ein ganzjähriges Veranstaltungskonzept gemeinsam mit Vereinen, Verbänden und Kulturschaffenden, die Unterstützung für befristete geschäftliche Nutzung leerer Flächen, ein Pop-up-Spielplatz als Bewegungsangebot für Kinder und Jugendliche. 2022 wird es weitergehen, auch mit einem Sonderprogramm, um Ladenlokale zu verbessern.
Meibers: Sehr gute Entwicklung in Hameln. Ich kann mich heute nicht so beteiligen, wir sind mit den Einzelterminen für heute ausgebucht.
NWZ: Perfekt, freue mich für Sie!