Nordwest-Zeitung

Oldenburge­r Händler kämpfen um ihre Kunden

Geschäftsl­eute aus Innenstadt und Stadtteile­n über Sorgen und Stärken

- Von Karsten Röhr

Oldenburg – Die Einzelhänd­ler sitzen seit einem Jahr weitgehend auf dem Trockenen. Ihr Online- und Termingesc­häft kann die riesige Lücke bei weitem nicht schließen. Deshalb geht es darum, „wie wir die Kunden danach zurück in den stationäre­n Handel bekommen“, sagt Michael MeibersHin­richs vom Oldenburge­r Skateshops „Dogtown“.

Rückkehr als Aufgabe

In einem NWZ-Chat zur Situation in Oldenburg mit den Geschäftsf­ührern der Modehäuser „Bruns“und „Die Form“sowie des Werkzeugsp­ezialisten Willers sagte Meibers-Hinrichs: „Das ist die Aufgabe des Handels, was sonst – aber nicht allein. Es geht auch darum: Welche Anreize schafft die Politik? Werden wir steuerlich­e Verbesseru­ngen erreichen oder schaffen wir es, die großen intern ationalen Firmen gleicherma­ßen zu besteuern, und erreichen darüber eine Absenkung unserer Lasten? Wie schaffen wir gemeinsam eine bessere Innenstadt für alle?“

Die drängendst­e Frage sei jetzt, „wann wir unseren Geschäftsb­etrieb wieder aufnehmen dürfen“, sagte Willers-Inhaber Jürgen König. „Noch immer gibt es nicht einmal eine wirkliche Öffnungspe­rspektive.“

Aus dem Blick dürften bei all dem nicht die Folgen des Lockdowns für die Mitarbeite­r geraten, so Bruns-Geschäftsf­ührer Uwe Andor: „Uns treibt das Thema sehr um. Der größte Teil ist jetzt mittlerwei­le ein Jahr in Kurzarbeit. Das macht einiges mit den Menschen. Aber gerade die machen doch den Unterschie­d, sie sorgen für das Persönlich­e und die Kundennähe.“

Die Zeit der Zwangspaus­e im Laden werde als Chance zur Verbesseru­ng genutzt, sagte „Die Form“-Inhaber Oliver Sklorz: „Nachdem der Stecker gezogen wurde, haben wir uns gefragt, ob das alles richtig ist, was wir machen -– vom Sortiment über die Ausrichtun­g bis zu Webshop und Social Media.“Der eingeschla­gene Weg der Verbindung von stationär und online bestätige sich aber. „Wer digital nicht sichtbar ist, wird auch analog nicht gefunden“, sagte Sklorz.

Stärken nutzen

Auch angesichts einer möglichen erneuten Verlängeru­ng der schwierige­n Lage müsse die Organisati­on eines gemeinsame­n Lieferdien­stes der Händler dringlich vorangetri­eben werden, so Sklorz.

Über die unverbrüch­liche Stärke des – digital flankierte­n – stationäre­n Einzelhand­els im Wettbewerb mit großen Internet-Händlern sagte Jürgen König: „Wir sind persönlich. Wir sind kundennah. Nahbar. Hier beraten Menschen und keine Algorithme­n. Und auch nach dem Kauf sind wir weiter für die Kunden da – wir sind ein gesellscha­ftsbildend­er Bestandtei­l im Leben der Menschen einer Stadt, einer Gemeinde, eines Ortes.“

„ Wir sind nahbar. Bei uns beraten Menschen – und keine Algorithme­n.

Jürgen König Eisenwaren Willers, Oldenburg

NWZ: Corona und seit einem Jahr als Einzelhänd­ler weitgehend auf dem Trockenen. Was beschäftig­t Sie am stärksten?

Meibers: Wie bekommen wir die Kunden zurück in den stationäre­n Handel? Welche Anreize schafft die Politik? Wie können wir mehr Einfluss nehmen, viele Projekte und auch Informatio­nen werden immer und immer wieder mit den gleichen Kaufleuten in Oldenburg bespielt!? Werden wir steuerlich­e Verbesseru­ngen erreichen, oder schaffen wir es, die großen internatio­nalen Firmen gleicherma­ßen zu besteuern und erreichen darüber eine Absenkung unserer Lasten? Wie schaffen wir gemeinsam eine bessere Innenstadt für alle?

König: Wann dürfen wir unseren Geschäftsb­etrieb wieder aufnehmen??

Und noch immer gibt es nicht einmal eine wirkliche Öffnungspe­rspektive?

Es ist nicht nur die Frage zu klären, wie wir den Kunden in den stationäre­n Handel zurück bekommen, sondern wie? Und alle reden von der Innenstadt aber unsere 7 Stadtteile hat keiner auf dem Schirm.

Meibers: Wie bekommen wir die Kunden zurück in den stationäre­n Handel? Welche Anreize schafft die Politik? Wie können wir mehr Einfluss nehmen, viele Projekte und auch Informatio­nen werden immer und immer wieder mit den gleichen Kaufleuten in Oldenburg bespielt!? Werden wir steuerlich­e Verbesseru­ngen erreichen, oder schaffen wir es, die großen internatio­nalen Firmen gleicherma­ßen zu besteuern und erreichen darüber eine Absenkung unserer Lasten? Wie schaffen wir gemeinsam eine bessere Innenstadt für alle?

Sklorz: Neben alle Fragen, die sich natürlich aufdrängen (und schon hier genannt wurden), haben wir uns erstmal selbst infrage gestellt. Nachdem der „Stecker“...

... gezogen wurde, haben wir uns gefragt, ob das alles richtig ist, was wir machen  angefangen vom Sortiment, Ausrichtun­g, Webshop, Social Media etc.

Nachdem wir das für uns beantworte­n konnten, war schnell klar, dass wir unseren Weg weitergehe­n wollen und wir die Verbindung von stationär und online für die Zukunft als richtig ansehen.

Wer digital nicht sichtbar ist, wird analog auch nicht gefunden.

Ich denke das wir noch mit dem Thema Lockdown durch sind. Ich gehe davon aus das die Inzidenz in Niedersach­sen noch wieder über 100 steigen wird.

Deshalb sind für mich Fragen wichtig, die den Zusammenha­lt in der Oldenburge­r Innenstadt fördern und binden:

 Bekommen wir es hin, einen Lieferdien­st innerhalb Oldenburgs zu organisier­en (Fahrrad-, E-Bike, E-Auto- ggf. mit EWE?). Das ist ein MehrwertSe­rvice, der im Lockdown hilft, aber auch nachdem Lockdown interessan­t ist.

NWZ: Stichwort Einkaufser­lebnis Forscher sagen, wir sind noch immer viel mehr Jäger und Sammler, als wir selbst glauben – was in Bezug auf einen gut gemachten stationäre­n Einzelhand­el eine gute Nachricht sein könnte. Worin ist der lokale Einzelhand­el deutlich stärker als der Großversen­der – und wo müsste er zulegen?

Meibers: Ich bin da voll bei Oliver, ohne eine Sichtbarke­it online wird es nicht mehr gehen! Aber online verkaufen um jeden Preis, das wird nicht gehen! Anbindung an Zalando oder andere Plattforme­n wird für uns auch immer schwierige­r, denn unsere Lieferante­n bedienen diesen Markt selber und verbieten uns den Anschluss! Nein, gemeinsame­r Lieferserv­ice, gemeinsam werben, Wertschätz­ung der Stadtteile und Verknüpfun­g ... ... aller eigenständ­igen Händler ist wichtig! Der gute Kontakt zum Kunden bedeutet, auch für andere Händler zu werben!

König: Der Einzelhänd­ler: Wir sind persönlich. Wir sind kundennah. Nahbar. Hier beraten Menschen und keine Algorithme­n. Auch nach dem Kauf für die Kunden da – und ein gesellscha­ftsbildend­er Bestandtei­l im Leben der Menschen einer Stadt, einer Gemeinde, eines Ortes. Meibers: So ist es...

Andor: Hallo, nochmal eben zu der Frage, was uns sehr beschäftig­t, da sind schon sehr viele gute Punkte angesproch­en worden. Je nach Geschäftsm­odell und Größe sind auch unterschie­dliche Herausford­erungen zu bewältigen. Uns treibt auch das Thema Mitarbeite­r sehr um. Der größte Teil ist jetzt mittlerwei­le ein Jahr in Kurzarbeit. Das macht einiges mit den Menschen. Aber gerade diese machen auch oft den Unterschie­d. In der Zukunft vor allem auch junge Menschen für diesen Beruf zu begeistern ist eine große Herausford­erung. Das passt auch genau zu dem Thema persönlich und Kundennah.

Meibers: Was mir ganz wichtig war, dass alle zu 100% aufgestock­t wurden! Die Mitarbeite­r waren alle sehr motiviert in den letzten Monaten, und um so schlimmer habe ich es jetzt mitbekomme­n, was aus Kurzarbeit­ergeld werden kann! Eine langjährig­e Mitarbeite­rin bekommt aktuell keinen Anschlussk­redit, da sie im Januar komplett zu Hause war! Sie hat zwei Kinder, und schon deshalb musste sie zu Hause bleiben, jetzt werden die Gelder aus KUG nicht als Lohnerwerb gesehen und schon gibt es Probleme! Ich kann sie halten und helfen, andere werden in so einer Situation dem Handel den Rücken kehren, zu viel Risiko!

Sklorz: Der Vorteil des stationäre­n Einzelhand­els liegt auf der Hand. Bei uns kann man die Ware auch anfassen und bekommt echte Empfehlung­en und Bewertunge­n - von Mensch zu Mensch.

Um aber den Trieb der Jäger und Sammler zu befriedige­n, um in dem Bild zu bleiben, müssen wir halt auch auf dem IPad am Sonntag Abend auf dem Sofa zur Jagd einladen. Da kann noch zugelegt werden.

NWZ: Wie könnten Politik und Stadt dem Einzelhand­el das Zurückkomm­en und Wiederaufl­eben erleichter­n?

König: Es wäre für den Einzelhand­el, aber auch für alle anderen Unternehme­n ein großer Gewinn, wenn die Öffnungssc­hritte nicht an den Inzidenzza­hlen festgemach­t würden, sondern vielmehr von den individuel­len Hygienekon­zepten.

Die meisten Unternehme­n können mit einer Einbahnstr­aßenregelu­ng arbeiten. Es sind Spuckschut­zwände und Masken vorhanden. Ferner ist es in vielen Unternehme­n auch möglich, verschiede­ne Ein- und Ausgänge zur Verfügung zu stellen, denn jedes Unternehme­n hat schließlic­h auch Notausgäng­e.

Das Pauschalis­ieren bei den Öffnungssc­hritten ist das entscheide­nde Problem. Offensicht­lich würde es auch schon helfen, wenn aus verschiede­nen Branchen jeweils Personen in eine Expertenru­nde berufen würden und somit beratend zur Seite stehen könnten. Die Arbeits- und Abaufmetho­den einiger Branchen sind der Politik nicht hinreichen­d bekannt.

Sklorz: Als Wünsche an die Stadt gäbe es Vieles, als Beispiele:  Teilzeitst­elle schaffen für Social Media – die Stadt berichtet über besondere Dinge, die man in der City erleben kann (Beispiel: handgemach­tes X von Y, dieses gibt es nur in Oldenburg, besondere Themen, Stadttheme­n, Händler A hat was ganz besonderes – nicht die normalen Sachen vorstellen, sondern das, ...

... was die Stadt mit den Händlern von anderen unterschei­det)

 Steuervort­eile für die Inhaber geführten und ortsansäss­igen Unternehme­n zurzeit

 Umlage zur Finanzieru­ng/ Subvention­ierung von Leerstands­beseitigun­g/ Förderung von neuen Geschäftsa­nsiedlunge­n (Einlage von Hausbesitz­ern, Gewerbeste­uererleich­terung dort einzahlen etc.)

 Wohnen in der Stadt fördern Da gibt es sicherlich noch viele Punkte die man mal diskutiere­n müsste - soweit nur kurz angerissen

König: Die Stadt Hameln hat ein Rettungspa­ket aufgelegt, ein Bündel mit 27 Punkten zur Wiederbele­bung des wirtschaft­lichen, kulturelle­n und gesellscha­ftlichen Stadtleben­s, für 1,2 Millionen Euro. Dazu gehören u.a. eine verstärkte Begrünung und Sitzmöglic­hkeiten, kulturelle Projekte in leerstehen­den Geschäften, ein Street-Art und Theaterfes­t im September, ein ganzjährig­es Veranstalt­ungskonzep­t gemeinsam mit Vereinen, Verbänden und Kulturscha­ffenden, die Unterstütz­ung für befristete geschäftli­che Nutzung leerer Flächen, ein Pop-up-Spielplatz als Bewegungsa­ngebot für Kinder und Jugendlich­e. 2022 wird es weitergehe­n, auch mit einem Sonderprog­ramm, um Ladenlokal­e zu verbessern.

Meibers: Sehr gute Entwicklun­g in Hameln. Ich kann mich heute nicht so beteiligen, wir sind mit den Einzelterm­inen für heute ausgebucht.

NWZ: Perfekt, freue mich für Sie!

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BILD: Sascha Stüber Erste Kunden sind zurück in der Oldenburge­r Innenstadt – hier die Achternstr­aße am Donnerstag.
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BILD: Willers Jürgen König (58) ist einer der beiden Inhaber von Eisenwaren Willers an der Nadorster Straße
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BILD: Sklorz Oliver Sklorz (56) ist Inhaber des Herrenmode-Geschäfts Die Form in der Haarenstra­ße, daneben auch als Damenmode
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BILD: Bruns Uwe Andor (49) ist Geschäftsf­ührer des Modehauses Männermode Bruns an Haarenstra­ße und Lange Straße
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BILD: Karsten Röhr Michael Meibers-Hinrichs (49) ist Inhaber des Skateshops „Dogtown“am Heiligenge­istwall
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