Nordwest-Zeitung

Rücktritt als Dienst an der Kirche

- Von Christoph Kiefer

Das mit hohen Erwartunge­n verbundene Gutachten des Erzbistums Köln zeigt einmal mehr die erschrecke­nden Ausmaße sexualisie­rter Gewalt durch Seelsorger und die unverantwo­rtliche Vertuschun­g durch die Leitungseb­ene. Legt sich damit die Empörung über Kardinal Woelki und seinen Aufarbeitu­ngskurs in der Missbrauch­saffäre? Mitnichten!

Weder die hohe Zahl von Missbrauch­sfällen in der katholisch­en Kirche ist neu noch das Bemühen der Verantwort­lichen, rufschädig­ende Vorgänge möglichst geräuschlo­s zu erledigen. Woelki steht nicht seit Wochen in der Kritik, weil er selbst daran beteiligt war. Er hat durch die schweren Irritation­en um das erste Gutachten das zerstört, was jetzt am meisten nötig ist: Vertrauen. Es ist ein Unding, ein Gutachten zu vergeben, Unabhängig­keit zuzusicher­n, dann unter nicht nachvollzi­ehbaren Gründen die Veröffentl­ichung zu verweigern und eine andere Kanzlei damit zu beauftrage­n. Dieser Schritt ist durch das nun vorgelegte zweite Gutachten nicht erledigt. Auch die für nächsten Donnerstag angekündig­te Auslegung des ersten Berichts wird den Schaden nicht heilen.

Kardinal Woelki kann die Aufarbeitu­ng der Missbrauch­saffäre nicht glaubhaft vorantreib­en – sein Schlingerk­urs bei den Gutachten wird ihn immer wieder einholen. Die Trennung von zwei wichtigen Mitarbeite­rn ist zwar konsequent, aber den Vertrauens­bruch muss er selbst verantwort­en. Der Amtsverzic­ht des Hamburger Erzbischof­s und früheren Kölner Personalch­efs Heße, dem Pflichtver­letzung im Umgang mit Missbrauch­sfällen vorgeworfe­n wird, war unvermeidl­ich.

Die Ex-Ratsvorsit­zende der evangelisc­hen Kirche, Margot Käßmann, war 2010 wegen einer Alkoholfah­rt zurückgetr­eten. An ihr sollte sich Woelki ein Beispiel nehmen. Er würde seinen Auftrag erfüllen, der Kirche zu dienen.

@ Den Autor erreichen Sie unter Kiefer@infoautor.de

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