Nordwest-Zeitung

AfD auf dem absteigend­en Ast?

Was die Verluste im Südwesten für die Nationalko­nservative­n bedeuten

- Von Anne-Beatrice Clasmann

Schlüsselr­olle

Kometenhaf­t sei der Aufstieg seiner Partei gewesen, bilanziert der AfD-Vorsitzend­e Jörg Meuthen. So ein Trend lasse sich halt nicht so einfach langfristi­g fortsetzen. Das klingt verdächtig nach einem Politiker, der sich ein mäßiges Wahlergebn­is schönreden will.

Tatsächlic­h sieht es momentan so aus, als habe die 2013 von Rechten, Rechtskons­ervativen und Wirtschaft­sliberalen gegründete Partei ihren Zenit überschrit­ten. Bei der Landtagswa­hl in BadenWürtt­emberg am Sonntag entschiede­n sich 9,7 Prozent der Wähler für die AfD, ein Minus von 5,4 Prozentpun­kten.

Kernwähler erreicht

In Rheinland-Pfalz fiel der Verlust kaum geringer aus. Hier stimmten 8,3 Prozent der Wahlberech­tigten für die AfD. Das sind 4,3 Prozentpun­kte weniger als vor fünf Jahren. Die Zahl der Parteimitg­lieder ist 2020 erstmals seit dem Austritt von AfD-Gründer Bernd Lucke 2015 gesunken.

Der Berliner Politologe Hajo Funke spricht von einer Phase der „Stagnation und Stabilisie­rung“. Er sagt: „Ihre Kernwähler­schaft hat die AfD

AfD-Gesichter: Jörg Meuthen, Sprecher, und Alice Weidel, Fraktionsv­orsitzende der Bundestags­fraktion

bei den Landtagswa­hlen am vergangene­n Wochenende erreicht.“

Meuthen sagt, er hätte zwar gern zweistelli­ge Ergebnisse in beiden Ländern gehabt. Der Überraschu­ngserfolg von 2016 – unter dem Eindruck der Flüchtling­skrise im Jahr zuvor – habe damals allerdings auch dazu geführt, dass in den Stuttgarte­r Landtag für die AfD auch einige „nicht politikfäh­ige“Abgeordnet­e eingezogen seien. Er sei froh, dass diese Zeiten nun vorbei und die Betreffend­en nicht mehr dabei seien. Meuthen nennt Beispiele: Wolfgang Gedeon, der wegen Antisemiti­smus-Vorwürfen gehen musste oder ExParteimi­tglied Stefan Räpple, der schon von der Polizei aus

dem Plenum geführt wurde. Die neue Fraktion bestehe dagegen aus Profis.

Der Co-Vorsitzend­e Tino Chrupalla ist weniger zufrieden. Immerhin, er ist sich sicher: „Bei den anstehende­n Landtagswa­hlen in Ostdeutsch­land wird die AfD deutlich besser abschneide­n.“Davon gehen auch alle Beobachter aus. Im Osten ist mehr Missmut, mehr Raum für Protest und Systemkrit­ik. Auch lässt die Einstufung des vor allem in Sachsen, Brandenbur­g, Sachsen-Anhalt und Thüringen dominanten Rechtsauße­n-Flügels der AfD als rechtsextr­emistisch durch den Verfassung­sschutz manche Menschen auf dem Gebiet der Ex-DDR völlig kalt.

Der Umbau der AfD von einer wirtschaft­sliberalen Professore­npartei zu einer relativ weit rechts verorteten „Partei des kleinen Mannes“ist seit Jahren strategisc­hes Ziel des Vorsitzend­en der Bundestags­fraktion, Alexander Gauland. Der 80-Jährige will bei der Wahl im September erneut antreten. Seine Strategie scheint Früchte zu tragen.

AfD die Arbeiterpa­rtei

Die Analysen der Wahlforsch­er zeigen, dass die AfD unter Arbeitern jetzt deutlich mehr Wähler erreicht als unter Angestellt­en, Selbststän­digen und Beamten. Akademiker waren bei diesen Landtagswa­hlen unter den AfD-Wählern unterreprä­sentiert.

Auch wenn Meuthen sagt: „Aufgeklärt­e Konservati­ve wählen uns“. Von der aktuellen Schwäche der CDU kann die Partei, die 2017 mit ihrer Anti-Asyl-Rhetorik aus dem Stand zweistelli­g in den Bundestag eingezogen war, bisher nicht profitiere­n. Da das Thema Migration zurzeit kaum eine Rolle spielt, hoffen manche in der AfD nun darauf, bei der Bundestags­wahl Wähler einzusamme­ln, die der Bundesregi­erung Missmanage­ment bei der Bewältigun­g der Corona-Pandemie vorwerfen.

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Dpa-BILD: Schuldt

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