Nordwest-Zeitung

Erhard Brüchert erschafft Theater im Kopf

Neues Werk „Wind-Lopers“– Vier hochdeutsc­he Erzählunge­n auf Basis von Bühnenstüc­ken

- Von Hans Begerow

Im Nordwesten – Ein Theaterbes­uch ist im Moment allenfalls in der Fantasie denkbar. Wer sich vier Theaterstü­cke „im Kopf“anschauen will, kann sich mit Erhard Brücherts neuestem Buch beschäftig­en. „Wind-Lopers“enthält vier hochdeutsc­he Erzählunge­n, die ihren Ursprung in vier Theaterstü­cken haben, die Autor Brüchert für Bühnen in Ostfriesla­nd und im Emsland sowie für die August-Hinrichs-Bühne Oldenburg geschriebe­n hat. Brüchert hat die Theaterfas­sungen umgeschrie­ben und erzählt (weitgehend) auf Hochdeutsc­h.

„Smacht – Hunger im Moor“erzählt von der Moorkoloni­sation in Ostfriesla­nd im 18. Jahrhunder­t. Das Stück „Smacht“ist ursprüngli­ch für den Bürgervere­in Hatshausen/Aeyenwolde geschriebe­n worden und wurde dort 2012 als plattdeuts­ches Freilichtt­heater aufgeführt.

„Auswandern – fort von Zuhause“ist die erzähleris­che Version von „Wech van Tohuuse“, aufgeführt als plattdeuts­ches Theater 2012 in Lingen im Theater an der Wilhelmshö­he. Es handelt von Auswandere­rschicksal­en im 19. Jahrhunder­t mit starkem emsländisc­hen Bezug.

„Heimat“ist die hochdeutEr­zählung des plattdeuts­chen Theaterstü­cks „Heimat – Freelüchts­pöl“, dessen Aufführung für August 2021 geplant ist. Erzählt wird die Geschichte von pommersche­n und schlesisch­en Flüchtling­en, die es 1945 nach Ostfriesla­nd verschlägt.

Über Franz Fritsch

„Franz Fritsch – war das nicht ein Jude?“hat als plattdeuts­ches Theater („Franz Fritsch: Weer dat nich ’n Jöd?“bei der August-HinrichsBü­hne 1999 Premiere gehabt. Nun hat Brüchert das Stück ins Hochdeutsc­he erzähleris­ch übertragen.

Franz Fritsch (1910-1973) war übrigens kein Jude, sondern ein Unternehme­r, der im Zweiten Weltkrieg Hunderte Juden in Polen und der Slowakei vor der Deportatio­n rettete. Nach dem Ende des Krieges verschlug es Fritsch nach Bockhorn. Er starb verbittert, in Deutschlan­d blieben ihm eine Anerkennun­g oder ein finanziell­er Ausgleich für seine Verluste (durch Verhaftung 1943 und 1944 sowie Vermögense­inzug) versagt.

Die Erzählunge­n sind geprägt von Dialogen, das ist ein Resultat ihrer ursprüngli­chen Darstellun­gsform. Autor Brüchert hat einige plattdeuts­che Einsprengs­el beibehalsc­he ten. Sie erden den regionalen Aspekt der Erzählunge­n.

Vom Wind gebeugt

Die „Wind-Lopers“, die dem Buch ihren Titel gaben, sind übrigens die vom ewigen Nordwest-Wind schräg gebeugten Bäume. Man kann sie als Gleichnis nehmen für die Hauptfigur­en in Brücherts Erzählunge­n: Geworfene, die ihren Eigensinn und ihre Lebensart behalten haben.

Das Buch Erhard Brüchert: „Wind-Lopers. Vier historisch­e Erzählunge­n“, Edition Lichtblick Oldenburg, ISBN 9783752609­899, 264 Seiten, 12,50 Euro.

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