Nordwest-Zeitung

Viele Gewinner erschweren das Regieren

Niederländ­er schicken 17 Parteien ins Parlament – Flügel auf beiden Seiten werden gestärkt

- Von Detlef Drewes

Den Haag – Am Morgen nach der Wahl gab sich der alte und neue niederländ­ische Ministerpr­äsident Mark Rutte kraftvoll. „Ich habe Energie für nochmal zehn Jahre“, sagte der 54-jährige Premier, der das Land bereits seit 2010 regiert. Doch dafür müsste er erst einmal die nächsten vier Jahre überstehen.

Über 200 Tage hat er nach der vorangegan­genen Wahl gebraucht, um eine Vier-Parteien-Koalition zu schmieden. Ob es gelingt, in der CoronaKris­e schneller eine Regierung zu bilden, ist offen. Denn im neuen Parlament sitzen nicht wie bisher 13, sondern 17 Parteien, weil es keine Fünf-Prozent-Hürde im Oranje-Staat gibt. Damit kann Rutte durchaus leben. Seine Partei für Freiheit und Demokratie (VVD) erreichte 35 (plus 2) der insgesamt 150 Sitze in der Tweede Kamer. Aber diese Wahl hat das Land verändert. Denn es muss mit einer schwachen politische­n Mitte und zwei gestärkten Flügeln am rechten und linken Rand leben.

D66 will mehr Einfluss

Zu den Wahlgewinn­ern gehört die linksliber­ale D66, die auf 24 Sitze kommt (19). Sie gehörte schon bisher Ruttes Kabinett an, pocht aber nun auf mehr Einfluss. Spitzenkan­didatin Sigrid Kaag, eine ehemalige UN-Diplomatin, setzte im Wahlkampf auf eine moderne Klimapolit­ik und europäisch­e Positionen. Nun will sie das Gewicht der „progressiv­en Kräfte“stärker zur Geltung bringen und forderte Rutte bereits auf, wenigstens noch eine weitere Partei aus dem linken Spektrum in seine Regierung zu holen.

Auch der rechte Flügel wurde unterm Strich gestärkt. Zwar büßte der vor allem im Ausland bekannte Geert

Wilders mit seiner PVV mindestens drei Sitze auf jetzt 17 ein. Aber dafür erstarkte das Forum für Demokratie unter dem Nationalis­ten Thierry

Baudet (acht Sitze, plus sechs) – trotz eines vorangegan­genen Streites um rassistisc­he und antisemiti­sche Positionen in den eigenen Reihen.

Der 38-jährige Baudet gilt als Shooting-Star der rechtsradi­kalen Szene, man sagt ihm Kontakte zur amerikanis­chen Alt-Right-Bewegung nach.

Hinzu kommt die von Baudet abgespalte­ne Partei JA21, so dass auf dem rechten Flügel ein Block von insgesamt 29 Mandaten entsteht. Die Sozialdemo­kraten stabilisie­rten sich auf niedrigem Niveau bei neun Sitzen, Christdemo­kraten, Grüne und Sozialiste­n mussten zum Teil erhebliche Verluste einstecken.

Viele Probleme warten

Die Blicke der Niederländ­er richten sich auf den Premier. Der weiß, dass sowohl seine Regierung wie auch sein politische­s Programm unter Beobachtun­g stehen. In der Pandemie gilt Rutte als Macher. Aber schon gestern kommentier­ten die großen niederländ­ischen Zeitungen, dass es bald Zeit werde, sich den übrigen Problemen des Landes zu widmen.

 ?? DPA-BILD: Van Weel ?? Sigrid Kaag ist die zweite große Siegerin der Wahl in den Niederland­en. Ihre linksliber­ale Partei D66 gewann fünf Sitze hinzu und verdrängte die Partei von Geert Wilders von Platz 2.
DPA-BILD: Van Weel Sigrid Kaag ist die zweite große Siegerin der Wahl in den Niederland­en. Ihre linksliber­ale Partei D66 gewann fünf Sitze hinzu und verdrängte die Partei von Geert Wilders von Platz 2.
 ?? Grafik: DPA ?? Bunt gemischt: Insgesamt 17 Parteien schafften es bei der Wahl ins niederländ­ische Parlament.
Grafik: DPA Bunt gemischt: Insgesamt 17 Parteien schafften es bei der Wahl ins niederländ­ische Parlament.

Newspapers in German

Newspapers from Germany