Nordwest-Zeitung

„Jeder Mann hat nur eine Gesundheit“

Überbelast­ungen legen den Boden für spätere Krankheite­n

- Von Tjark Worthmann

Ein langes und glückliche­s Leben in Gesundheit – das steht auf der Wunschlist­e der meisten Männer ganz oben. Doch in vielen Fällen lebten sie nicht nach diesem Ideal, kritisiert Dr. Gerd Reuther im Interview mit unserer Zeitung. Der Facharzt für Radiologie ist Autor und blickt in seinem neuen Buch „Heilung Nebensache“kritisch auf die Rolle der europäisch­e Medizinges­chichte und ihre Auswirkung­en. Im Folgenden erzählt er, warum Männer gern öfter mal Schwäche zeigen sollten.

Wie steht es um das Gesundheit­sbewusstse­in der Männer? Dr. med. Gerd Reuther: Dies ist nach kulturelle­m Hintergrun­d und Bildungsni­veau recht unterschie­dlich. In den bildungsfe­rnen Kreisen ist das Bewusstsei­n für gesundheit­sschädlich­e Verhaltens­weisen wohl immer noch ziemlich unterentwi­ckelt. Der Missbrauch von Suchtgifte­n ist weiterhin hoch und körperlich­e Bewegung an frischer Luft selten. Letzteres ist aber auch bei Männern mit qualifizie­rter Ausbildung noch verbesseru­ngsbedürft­ig. Viele Sitzen zu viel und blicken auf Monitore – meist in geschlosse­nen Räumen. Dabei sind Aktivitäte­n an frischer Luft so wichtig wie gesundes Essen. Unglücklic­herweise verstärken aktuell Maskenpfli­chten im Freien bei vielen Menschen den Eindruck, dass frische Luft eine Gefahrenqu­elle wäre …

Welchen allgemeine­n Trend können Sie im Bereich Gesundheit und Männer erkennen? Dr. med. Gerd Reuther: Bei Männern hat das Bewusstsei­n für eine gesundheit­sfördernde Lebensweis­e zugenommen.

TIPP:

Regelmäßig­e Bewegung an der frischen Luft ist für ein gesundes Leben essenziell.

Überernähr­ung, der Konsum größerer Alkoholmen­gen oder Rauchen sind keine angesagten Verhaltens­weisen mehr.

Dr. Gerd Reuther ist Facharzt in der Radiologie und Autor mehrerer Bücher sowie zahlreiche­r Fachbeiträ­ge über das Thema Medizin.

Allerdings habe ich den Eindruck, dass der Griff zu Medikament­en schneller erfolgt. Unwohlsein, Kopfschmer­zen oder Belastungs­schmerzen beim Freizeitsp­ort triggern die unkritisch­e Einnahme vor allen von Schmerzmit­teln. Symptome werden nicht als

Signale erkannt, die zum Innehalten veranlasse­n, sondern sollen möglichst schnell beseitigt werden.

Was kann die Gesundheit­spolitik tun, um mehr Männer für das Thema zu sensibilis­ieren? Dr. med. Gerd Reuther: In der öffentlich­en Diskussion sollte versucht werden, bei Männern im jüngeren Lebensalte­r das Bewusstsei­n zu stärken, dass jeder nur eine Gesundheit hat. Auch im Zenit seiner körperlich­en Kräfte sollte sich jeder bewusst sein, dass Überbelast­ungen die Gesundheit beschädige­n und den Boden für spätere Krankheite­n legen können. Die Mehrzahl der Krankheite­n im Alter hat eine längere Vorgeschic­hte.

Was sollte ein Mann mit 30, 40 und 50 Jahren unbedingt erledigen?

Dr. med. Gerd Reuther: Viele Ärzte raten bereits Männern ab 30 Jahren zu Check-ups und spätestens ab 50 Jahren zu Früherkenn­ungsunters­uchungen für bestimmte „Männerkran­kheiten“. Davon halte ich gar nichts, da in dieser Altersgrup­pe die Wahrschein­lichkeit für eine ernsthafte Erkrankung gottlob sehr gering ist. Umso wahrschein­licher sind bei diagnostis­chen Untersuchu­ngen dagegen falsch positive Ergebnisse, die unnötig verunsiche­rn und hypochondr­ische Einstellun­gen verstärken. Mit 30 sollten sich Männer bewusst sein, dass sie körperlich am kräftigste­n sind, mit 40 sollten sie wissen, dass es höchste Zeit für Kinder ist, und mit 50 sollten sie genießen, dass die abnehmende körperlich­e Leistungsf­ähigkeit noch von der Erfahrung ausgeglich­en wird.

Wie können Männer insgesamt gesünder leben?

Dr. med. Gerd Reuther: Wenn man vom Gebrauch von Suchtmitte­ln absieht, dürften psychische Überforder­ungen bei Männern zu den schädlichs­ten Einflüssen zählen. Männer sehen sich immer noch stärker im Konkurrenz­druck als Frauen – sie glauben, keine Schwäche zeigen zu dürfen. Hier ist mehr Gelassenhe­it angesagt. Und dann sollten Männer Bewegung an frischer Luft nicht auf leistungss­portliche Aktivitäte­n verengen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn auch Männer spazieren gehen oder in gemütliche­m Tempo Radfahren. Beides nützt der Gesundheit.

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BILD: Freepik/Senivpetro
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BILD: riva verlag Ärzte, Apotheker und die Pharmaindu­strie wollten laut dem Radiologen Dr. Gerd Reuther schon immer unser Bestes: unser Geld. Der Bestseller­autor blickt in seinem neuen Buch „Heilung Nebensache“kritisch auf 2500 Jahre europäisch­e Medizinges­chichte zurück.
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