Auf großem Abstand in Alaska
Schwere Vorwürfe und verbale Angriffe bei ranghohem Treffen von China und den USA
Anchorage – Beim ersten ranghohen Treffen zwischen den USA und China seit dem Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden haben sich die TopDiplomaten beider Seiten ein höchst ungewöhnliches Wortgefecht geliefert. Zum Start der Gespräche in Alaska überzogen sich der neue USAußenminister Antony Blinken und sein chinesischer Kollege Yang Jiechi gegenseitig mit schweren Vorwürfen und – für diplomatische Treffen dieser Art extrem raren – verbalen Angriffen. Ist das Verhältnis beider Länder, das unter Bidens Vorgänger Donald Trump auf das schlechteste Niveau seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1979 gefallen war, nun an einem neuen Tiefpunkt?
Tiefe Besorgnis
Die US-Regierung hatte nach eigenen Angaben darauf bestanden, das Treffen auf amerikanischem Boden abzuhalten – allerdings weit weg von der US-Hauptstadt, in der Abgeschiedenheit Alaskas. An dem Treffen in Anchorage nahmen Blinken und Yang, der höchste Außenpolitiker der Kommunistischen Partei, sowie der im chinesischen Machtapparat untergeordnete Außenminister Wang Yi und Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan teil.
Zum Auftakt der Gespräche am Donnerstag (Ortszeit) äußerte Blinken „tiefe Besorgnis“angesichts der Menschenrechtslage in der Metropole Hongkong und in der Autonomen Region Xinjiang, wo die ethnische Minderheit der Uiguren lebt. Zudem warf er China vor, für Cyber-Angriffe verantwortlich zu sein und USVerbündete mit wirtschaftlichem Druck zu erpressen. Zudem kritisierte er Pekings Haltung in Bezug auf Taiwan, das die kommunistische Volksrepublik als Teil Chinas beansprucht. „Jede dieser Handlungen bedroht den auf Regeln basierenden Rahmen, der die globale Stabilität bewahrt“, sagte Blinken. „Deswegen sind dies nicht nur innere Angelegenheiten.“
Enorme Verärgerung
Öffentliche Eingangsstatements bei solchen Treffen sind üblicherweise dem Austausch oberflächlicher Höflichkeiten vorbehalten. Dass die Amerikaner die Gelegenheit aber nutzten, öffentlich auszuteilen, verärgerte die chinesische Seite enorm. Yang konterte ausführlich, er betonte, die Amerikaner sollten lieber auf sich selbst schauen. Er erwähnte die „Black Lives Matter“-Proteste des vergangenen Jahres in den USA gegen Rassismus und Polizeigewalt.
Biden und Blinken haben insgesamt einen harten Ton gegenüber China angeschlagen und räumen dem Land eine herausgehobene Stellung in ihrer Außenpolitik ein – als größten Konkurrenten. Die Beziehung zu China sei die „größte geopolitische Prüfung des 21. Jahrhunderts“.
Nach den Eröffnungsreden tagten beide Seiten hinter verschlossenen Türen weiter.