Nordwest-Zeitung

Auf der Suche nach Innovation

Warum Deutschlan­d bei der Digitalisi­erung nur noch hinterherh­inkt

-

Deutsche Konzerne sind in der Bewertung der wertvollst­en Unternehme­n weltweit längst auf dem absteigend­en Ast. Gerade einmal die SAP AG erscheint noch unter den wertvollst­en 100 Unternehme­n im globalen Ranking. In diesen Tagen erscheint uns der Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d mitunter als digitale Wüste und unter der fehlenden Infrastruk­tur leiden nicht nur die Wirtschaft und der Bildungsbe­reich. Doch warum hinkt im internatio­nalen Vergleich ausgerechn­et der „Exportwelt­meister“beim Ausbau seiner digitalen Industrie hinterher?

Quo vadis, Exportnati­on?

These: Der Markt für Digitales ist fast ausschließ­lich in den Händen amerikanis­cher und asiatische­r Konzerne. Die fünf führenden Internetfi­rmen Microsoft, Apple, Alphabet, Amazon und Facebook verzeichne­n heute – zusammenge­fasst – eine höhere Marktkapit­alisierung als 30 000 der erfolgreic­hsten Unternehme­n in Deutschlan­d zusammen. Unglaublic­h, aber wahr. Diese gleichsam sogenannte­n „Unicorns“– also Innovation­sführer der Digitalen Industrie – schreiben im Industriez­eitalter 4.0 derart drastisch hohe Gewinne, dass die Wirtschaft­skapitäne vergangene­r Epochen heute eher wie Flohmarkth­ändler erscheinen.

Warum muss unser Standort so zurückstec­ken? Noch zur Jahrtausen­dwende entstanden so trendpräge­nde Erfindunge­n wie der MP3-Player im Fraunhofer Institut und anderen deutschen Technologi­eschmieden. Heutzutage zentriert sich die Elektronik­industrie allerdings in Asien oder den USA. Die Ursache der ökonomisch­en Umverteilu­ng bekundet sich in einer weitaus anders gelagerten Investment-Philosophi­e. Andernorts werden innovative­n Ideen viel höhere Einlagen zum Aufbau der Technologi­e anvertraut.

Wir müssen die wirtschaft­lichen Vorteile einer systematis­chen Dematerial­isierung verstehen. Fakt ist: Die deutsche Ingenieurs­kunst erdenkt im 21. Jahrhunder­t leider keine Innovation­en mehr, sondern strebt lieber nach einem interaktiv­en Autoschlüs­sel mit Display und weiterem sonderlich­en Schnicksch­nack. Die Wirtschaft­sweisen sprechen dabei von einer Repair Ökonomie – der Verbesseru­ng von bestehende­n Maschinen.

Doch sollten wir die Lösungen für die Probleme unserer Zeit nicht neu denken, anstatt mit fälschlich­erweise altbewährt­en Ansätzen im ewigen Versuch einer Verbesseru­ng unterzugeh­en? An dieser Stelle ein paar harte Kennzahlen zum Digitalisi­erungsstan­dort Deutschlan­d: Aktuell belegen wir Platz 37 im weltweiten Netzaufbau durch Glasfaser. Das sind gerade mal 13 Prozent aller Haushalte. Schon Helmut Schmidt versprach im Jahr 1986: Glasfaser für alle bis 2015. Sein Nachfolger setzte hingegen auf Kupferleit­ungen als Fundament der zukünftige­n Daten-Autobahnen – wohl eine Fehlentsch­eidung „unter Freunden“.

Die Vetternwir­tschaft und Bürokratie waren schon immer Erzfeinde von prosperier­enden Standorten. Dabei fehlt der deutschen Investment­mentalität mitunter die visionäre Zielklarhe­it. Zum Vergleich: Hierzuland­e konzentrie­rt sich die Digitale Industrie auf wenige Standorte, meist an Universitä­ten. In den

USA dient hingegen ein ganzer Landstrich dem Ausbau von digitalen Innovation­en – das Silicon Valley.

Hier herrscht ein anderes Investoren-Verhalten rund um das sogenannte Venture Capital (Wagniskapi­tal), mit dem in Europa bislang nur wenige Geld verdient haben. Doch mancher Finanzier der Facebook Inc. konnte seine Einlage um das mehr als Tausendfac­he steigern. Zukunft besitzt der Konsument weniger Dinge – wir benutzen sie nur noch – „Teilen ist das neue Haben!“

Das Stichwort lautet Sharing Economy – das Teilen von Alltagsgeg­enständen und Dienstleis­tungen gesteuert durch digitale Plattforme­n und Services. Uber, AirBnb, Lieferando und DriveNow – unter anderem diesen Digitalunt­ernehmen gehören keine großen Sachwerte, dennoch beherrsche­n sie den jeweiligen Markt.

Digital umdenken

So sollte Deutschlan­d im Sinne einer eigenen Digitalind­ustrie umdenken. Wenn wir uns weiter nur aufs BlecheDeng­eln und nicht auf Digitales konzentrie­ren, wenn wir nicht beginnen zu verstehen, dass Plattforme­n und Services die Zukunft gehört, wird das nächste deutsche „Unicorn“ein Fabeltier bleiben.

Sind wir als Anwender nicht selbst gern und oft digital unterwegs? Gehört es nicht zum Selbstvers­tändnis der deutschen Exportwirt­schaft, ein Global Player zu sein? Und muss dafür der Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d nicht mehr Möglichkei­ten zugunsten einer florierend­en Datenökono­mie bereitstel­len? Dann sollten wir endlich aufhören, die Dinge nur zu reparieren und anfangen in die Zukunft zu investiere­n – mit Vertrauen und finanziell­er Unterstütz­ung für die smarte Gründersze­ne auf deutschem Boden.

Teilen ist das neue Haben

Interaktiv­e Plattforme­n sind die Trendtechn­ologien des digitalen Zeitalters. Sie orchestrie­ren ganze Industrien zur Endverbrau­cheranwend­ung auf dem Smartphone. Wir müssen uns über eins im Klaren sein: In einer dematerial­isierten

 ?? Zeichnung: Jürgen Tomicek ?? Pandemie-Flotte
Zeichnung: Jürgen Tomicek Pandemie-Flotte
 ??  ?? Karl-Heinz Land. Autor dieses Beitrages ist
Der 59-Jährige ist Redner, Autor und Investor.
@Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de
Karl-Heinz Land. Autor dieses Beitrages ist Der 59-Jährige ist Redner, Autor und Investor. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

Newspapers in German

Newspapers from Germany