Niedersachsens Familien im Krisenmodus
Eltern schließen sich zusammen, um Kindern in der Corona-Pandemie eine Stimme zu geben
Hannover – Sie platzieren Kinder-Botschaften an prominenten Plätzen, schreiben an Kanzlerin und Kultusminister und wollen ernst genommen werden: In der Corona-Pandemie haben sich die Initiativen „Familien in der Krise“und „Kinder brauchen Kinder“gegründet. Sie bündeln ihre Kräfte und gründen den bundesweiten Verein „Initiative Familien“. „Wir wollen Kindern, Jugendlichen und Familien eine starke Stimme geben“, sagt Sina Denecke aus Hannover, Sprecherin der Initiative „Familie in der Krise“.
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Die Gründungsphase
„Kinder kommen in der Pandemie viel zu kurz“, meint die 32-jährige Mutter von zwei Kindern, 1 und 5 Jahre alt. Als im Vorjahr Bordelle schneller wieder geöffnet hatten als Schulen und Kitas, tauschte sich Denecke mit anderen Eltern aus. Schnell fanden sich zehn Aktive, die ihre Wut und Enttäuschung über die Benachteiligung der Familien in ehrenamtliches Engagement kanalisierten. Die Initiative wurde sogar bei Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) vorstellig, um Dutzende Blaue Briefe zu übergeben. Die Gruppe
„Kinder brauchen Kinder“startete parallel eine Petition zur Öffnung von Kitas und Schulen, die von 85 000 Menschen unterzeichnet wurde.
Es blieb nicht beim Protest. Die Initiative machte Vorschläge: zum Beispiel mit Investitionen in innovative Belüftungssysteme, effektive Teststrategien oder kreative Personal- und Raumlösungen. „Schließungen sollten immer nur der letzte Ausweg sein“, sagt Denecke. Es sei gut, dass zumindest „Szenario B“, das Wechselmodell zwischen Präsenzunterricht und Distanzlernen,
in vielen Regionen des Landes wieder möglich sei.
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Bedeutung von Schule
Denecke verweist darauf, dass im Lockdown besonders Kinder aus benachteiligten Familien schwer zu erreichen seien. Die Auswirkungen der Pandemie auf Kinder belegten mittlerweile viele Studien: Sie schlafen schlecht, haben Angst, entwickeln Depressionen. Und sie werden träge, weil sie sich zu wenig bewegen, nicht in den Sportverein dürfen, sondern stattdessen
stundenlang vor dem Computer hocken. Von den Kontaktbeschränkungen zum Freundeskreis ganz abgesehen.
Für Diane Siegloch vom Verein „Initiative Familien“ist klar, dass die Themen Bildung, Kinderrechte und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf langfristig einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft erhalten müssen. Dass über viele Jahre hinweg die Prioritäten anders gesetzt wurden, habe sich in der Krise ausgewirkt.
Das große Engagement der rund 250 aktiven Mütter und Väter von „Initiative Familie“
hat jedoch eine Schattenseite: Es gibt eine massive Hetzkampagne im Internet gegen den Verein und Netzwerkpartner. „Wir sind ehrenamtlich, unabhängig, tragen alle Kosten selbst“, wehrt sich die Gruppe.
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So geht es weiter
In ihrem Engagement zugunsten von Kindern und Familien will die Initiative nicht nachlassen: An diesem Samstag lädt sie ein zu einer Kundgebung unter dem Motto „Kein Lockdown für Kinderrechte“vor dem Landtag in Hannover.