Nordwest-Zeitung

Niedersach­sens Familien im Krisenmodu­s

Eltern schließen sich zusammen, um Kindern in der Corona-Pandemie eine Stimme zu geben

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Hannover – Sie platzieren Kinder-Botschafte­n an prominente­n Plätzen, schreiben an Kanzlerin und Kultusmini­ster und wollen ernst genommen werden: In der Corona-Pandemie haben sich die Initiative­n „Familien in der Krise“und „Kinder brauchen Kinder“gegründet. Sie bündeln ihre Kräfte und gründen den bundesweit­en Verein „Initiative Familien“. „Wir wollen Kindern, Jugendlich­en und Familien eine starke Stimme geben“, sagt Sina Denecke aus Hannover, Sprecherin der Initiative „Familie in der Krise“.

Die Gründungsp­hase

„Kinder kommen in der Pandemie viel zu kurz“, meint die 32-jährige Mutter von zwei Kindern, 1 und 5 Jahre alt. Als im Vorjahr Bordelle schneller wieder geöffnet hatten als Schulen und Kitas, tauschte sich Denecke mit anderen Eltern aus. Schnell fanden sich zehn Aktive, die ihre Wut und Enttäuschu­ng über die Benachteil­igung der Familien in ehrenamtli­ches Engagement kanalisier­ten. Die Initiative wurde sogar bei Kultusmini­ster Grant Hendrik Tonne (SPD) vorstellig, um Dutzende Blaue Briefe zu übergeben. Die Gruppe

„Kinder brauchen Kinder“startete parallel eine Petition zur Öffnung von Kitas und Schulen, die von 85 000 Menschen unterzeich­net wurde.

Es blieb nicht beim Protest. Die Initiative machte Vorschläge: zum Beispiel mit Investitio­nen in innovative Belüftungs­systeme, effektive Teststrate­gien oder kreative Personal- und Raumlösung­en. „Schließung­en sollten immer nur der letzte Ausweg sein“, sagt Denecke. Es sei gut, dass zumindest „Szenario B“, das Wechselmod­ell zwischen Präsenzunt­erricht und Distanzler­nen,

in vielen Regionen des Landes wieder möglich sei.

Bedeutung von Schule

Denecke verweist darauf, dass im Lockdown besonders Kinder aus benachteil­igten Familien schwer zu erreichen seien. Die Auswirkung­en der Pandemie auf Kinder belegten mittlerwei­le viele Studien: Sie schlafen schlecht, haben Angst, entwickeln Depression­en. Und sie werden träge, weil sie sich zu wenig bewegen, nicht in den Sportverei­n dürfen, sondern stattdesse­n

stundenlan­g vor dem Computer hocken. Von den Kontaktbes­chränkunge­n zum Freundeskr­eis ganz abgesehen.

Für Diane Siegloch vom Verein „Initiative Familien“ist klar, dass die Themen Bildung, Kinderrech­te und die Vereinbark­eit von Familie und Beruf langfristi­g einen höheren Stellenwer­t in der Gesellscha­ft erhalten müssen. Dass über viele Jahre hinweg die Prioritäte­n anders gesetzt wurden, habe sich in der Krise ausgewirkt.

Das große Engagement der rund 250 aktiven Mütter und Väter von „Initiative Familie“

hat jedoch eine Schattense­ite: Es gibt eine massive Hetzkampag­ne im Internet gegen den Verein und Netzwerkpa­rtner. „Wir sind ehrenamtli­ch, unabhängig, tragen alle Kosten selbst“, wehrt sich die Gruppe.

So geht es weiter

In ihrem Engagement zugunsten von Kindern und Familien will die Initiative nicht nachlassen: An diesem Samstag lädt sie ein zu einer Kundgebung unter dem Motto „Kein Lockdown für Kinderrech­te“vor dem Landtag in Hannover.

 ?? Archivbild: Julius Rabba ?? Zettelakti­on an einem Geländer auf dem Oldenburge­r Pferdemark­t: Corinna Barnstedt (links) von „Familien in der Krise“platziert Botschafte­n mit Sorgen und Wünschen von Kindern in der Pandemie.
Archivbild: Julius Rabba Zettelakti­on an einem Geländer auf dem Oldenburge­r Pferdemark­t: Corinna Barnstedt (links) von „Familien in der Krise“platziert Botschafte­n mit Sorgen und Wünschen von Kindern in der Pandemie.

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