Nordwest-Zeitung

„Britische Mutation nimmt deutlich zu“

Virologe Hamprecht über Coronafäll­e im Nordwesten und die Folgen

- Von Christoph Kiefer

Die Inzidenzwe­rte hier im Nordwesten steigen – offenbar auch wegen des steigenden Anteils der britischen Mutante. Wie stark ist diese Virusvaria­nte im Nordwesten verbreitet?

Hamprecht: Die britische Mutation B.1.1.7 nimmt auch im Nordwesten deutlich zu. Exakte Zahlen für die gesamte Region Oldenburg liegen nicht vor. Bei den Proben, die wir in unserem Labor untersuche­n, liegt der Anteil inzwischen bei etwa 70 Prozent. Allerdings werten wir vor allem PCR-Proben regionaler Krankenhäu­ser aus, wo vor allem Patienten mit schweren Verläufen liegen. Die britische Mutante löst eher schwere Verläufe aus, deshalb kommen Infizierte häufiger in ein Krankenhau­s – insofern ist B.1.1.7 bei unseren Proben vielleicht überrepräs­entiert. Bei den Proben, die niedergela­ssene Ärzte im Raum Oldenburg untersuche­n, liegt der Anteil der britischen Variante etwa bei einem

Drittel aller Proben – Tendenz aber auch hier steigend.

Was folgt aus dem Anstieg der Inzidenzwe­rte aus Ihrer Sicht? Hamprecht: Der hohe Anteil der britischen Variante macht es wegen der höheren Ansteckung­sgefahr schwerer, die Pandemie schnell in den Griff zu bekommen. Wichtig ist aus meiner Sicht, schnell möglichst viele Menschen zu impfen. Und ein weiterer wichtiger Punkt: Kontakte reduzieren, das ist das Futter für das Virus.

Lebensmitt­el- und Blumenhand­el dürfen öffnen, der Innenstadt­handel darf nur TerminShop­ping anbieten, die Gastronomi­e gar nicht öffnen. Ist das aus Ihrer Sicht gerechtfer­tigt? Hamprecht: Das ist eine politische Frage. Mit Schließung­en reduziert man grundsätzl­ich auch Kontakte, das muss man bei den Entscheidu­ngen bedenken. Ich kann den Frust der Betroffene­n aber sehr gut verstehen.

Der Inzidenzwe­rt, an dem viele dieser Entscheidu­ngen festgemach­t werden, ist umstritten. Gibt es bessere Parameter für Schutzmaßn­ahmen? Hamprecht: Ich halte den Inzidenzwe­rt für sehr aussagekrä­ftig. Er darf nur nicht isoliert betrachtet werden. Ein Corona-Ausbruch in einem Pflegeheim im ländlichen Raum kann den Inzidenzwe­rt des gesamten Landkreise­s nach oben treiben; das muss man berücksich­tigen. Deshalb ist auch der R-Wert wichtig, der angibt, wie viele Menschen ein Infizierte­r ansteckt. Ein weiteres Alarmsigna­l ist ein Anstieg des Anteils der positiven Tests bezogen auf alle Untersuchu­ngen. Auch die Belegungsq­uote der Intensivst­ationen ist ein extrem wichtiger Faktor. Trotzdem halte ich den Inzidenzwe­rt für den wichtigste­n. Die Aussage, dass der Wert allein durch die Anzahl der Testungen steigt oder fällt, lässt sich so nicht bestätigen. Wir hatten zum Beispiel im Oktober bundesweit mehr Testungen als derzeit, aber einen geringeren Anteil an positiven Proben.

19. März

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