„Britische Mutation nimmt deutlich zu“
Virologe Hamprecht über Coronafälle im Nordwesten und die Folgen
Die Inzidenzwerte hier im Nordwesten steigen – offenbar auch wegen des steigenden Anteils der britischen Mutante. Wie stark ist diese Virusvariante im Nordwesten verbreitet?
Hamprecht: Die britische Mutation B.1.1.7 nimmt auch im Nordwesten deutlich zu. Exakte Zahlen für die gesamte Region Oldenburg liegen nicht vor. Bei den Proben, die wir in unserem Labor untersuchen, liegt der Anteil inzwischen bei etwa 70 Prozent. Allerdings werten wir vor allem PCR-Proben regionaler Krankenhäuser aus, wo vor allem Patienten mit schweren Verläufen liegen. Die britische Mutante löst eher schwere Verläufe aus, deshalb kommen Infizierte häufiger in ein Krankenhaus – insofern ist B.1.1.7 bei unseren Proben vielleicht überrepräsentiert. Bei den Proben, die niedergelassene Ärzte im Raum Oldenburg untersuchen, liegt der Anteil der britischen Variante etwa bei einem
Drittel aller Proben – Tendenz aber auch hier steigend.
Was folgt aus dem Anstieg der Inzidenzwerte aus Ihrer Sicht? Hamprecht: Der hohe Anteil der britischen Variante macht es wegen der höheren Ansteckungsgefahr schwerer, die Pandemie schnell in den Griff zu bekommen. Wichtig ist aus meiner Sicht, schnell möglichst viele Menschen zu impfen. Und ein weiterer wichtiger Punkt: Kontakte reduzieren, das ist das Futter für das Virus.
Lebensmittel- und Blumenhandel dürfen öffnen, der Innenstadthandel darf nur TerminShopping anbieten, die Gastronomie gar nicht öffnen. Ist das aus Ihrer Sicht gerechtfertigt? Hamprecht: Das ist eine politische Frage. Mit Schließungen reduziert man grundsätzlich auch Kontakte, das muss man bei den Entscheidungen bedenken. Ich kann den Frust der Betroffenen aber sehr gut verstehen.
Der Inzidenzwert, an dem viele dieser Entscheidungen festgemacht werden, ist umstritten. Gibt es bessere Parameter für Schutzmaßnahmen? Hamprecht: Ich halte den Inzidenzwert für sehr aussagekräftig. Er darf nur nicht isoliert betrachtet werden. Ein Corona-Ausbruch in einem Pflegeheim im ländlichen Raum kann den Inzidenzwert des gesamten Landkreises nach oben treiben; das muss man berücksichtigen. Deshalb ist auch der R-Wert wichtig, der angibt, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt. Ein weiteres Alarmsignal ist ein Anstieg des Anteils der positiven Tests bezogen auf alle Untersuchungen. Auch die Belegungsquote der Intensivstationen ist ein extrem wichtiger Faktor. Trotzdem halte ich den Inzidenzwert für den wichtigsten. Die Aussage, dass der Wert allein durch die Anzahl der Testungen steigt oder fällt, lässt sich so nicht bestätigen. Wir hatten zum Beispiel im Oktober bundesweit mehr Testungen als derzeit, aber einen geringeren Anteil an positiven Proben.
19. März