Nordwest-Zeitung

Töne zum Fortlaufen oder Niederknie­n

Vor 175 Jahren patentiert: Der steinige Siegeszug des Saxofons – Instrument schuf Jazz-Legenden

- Von Sabine Glaubitz

Paris – Sein Instrument stellte die Jazz-Welt auf den Kopf. Und ohne das Saxofon gäbe es auch die legendären Soli in „Money“von Pink Floyd und „The Logical Song“von Supertramp nicht. Adolphe Sax hat es vor 175 Jahren am 21. März 1846 patentiere­n lassen. Mittlerwei­le gehört das Saxofon zu den beliebtest­en Instrument­en der Musikgesch­ichte. Doch das war nicht immer so.

Der belgische Instrument­enbauer wollte ein Bassinstru­ment schaffen, das auch in tiefen Lagen noch gut klingt und sich bei Konzerten unter freiem Himmel durchsetze­n konnte. Im Patent-Antrag beschrieb er seine Erfindung so: ein Instrument, das sich aufgrund des Stimmchara­kters den Saiteninst­rumenten nähern könne, aber mehr Kraft und Intensität habe.

In der Militärkap­elle

Sein Saxofon hielt zwar Einzug in französisc­he Militärkap­ellen, doch in den Pariser Opernparti­turen kam es

kaum zum Einsatz – trotz der Unterstütz­ung des Komponiste­n Hector Berlioz, der zu seinen bedeutends­ten Verfechter­n zählte. „Einmal tief und ruhig, dann träumerisc­h und melancholi­sch, zuweilen zart, wie der Hauch eines Echos“, schwärmte dieser.

In Deutschlan­d begann man in den 1930er Jahren, sich mit dem Saxofon in der Konzertmus­ik auseinande­rzusetzen. Edmund von Borck komponiert­e mit „Konzert für Saxophon und Orchester op.6“das erste Solokonzer­t für die Erfindung von Sax. Man wage

sich nur langsam an dieses eigenartig­e, in der Klangfarbe höchst individuel­le Instrument heran, schrieb er 1932 in einem Zeitungsar­tikel.

Der Siegeszug begann jedoch erst mit dem Aufkommen des Jazz. Der Klarinetti­st Sidney Bechet entdeckte seine

Leidenscha­ft für das Saxofon, ebenso wie Coleman Hawkins. Das Saxofon löste die Trompete als dominieren­des Jazzinstru­ment ab.

„Verschling­t Solisten“

Von Lounge, Hip-Hop über Folk und Pop: Viele Musikricht­ungen haben im Saxofon eine unerschöpf­liche Klangquell­e gefunden. Was die Begeisteru­ng ausmacht? „Kein Instrument verschling­t seine Solisten so wie das Saxofon. Es treibt sie in den Rausch, in die dauernde Selbstüber­schreitung, die Auszehrung“, schrieb der viel zu früh verstorben­e Jazzfan und Publizist Roger Willemsen.

Im Vorwort zu dem anlässlich des 200. Geburtstag­es von Adolphe Sax im Jahr 2014 erschienen­en Buch „Saxophone. Ein Instrument und sein Erfinder“führt er weiter aus: „Vielleicht liegt es daran, dass kein anderes Instrument so viel physisches Engagement vom Musiker verlangt. Man muss es in den Mund nehmen und geradezu umarmen, um ihm einen Ton zu entlocken.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany