Festmahl der Möwen – Wie die Realität zwischen Buchdeckel kommt
Im Roman „Rupert Undercover“gibt es ein Kapitel, für das ich Hunderte Leserbriefe erhalten habe.
Die Szene spielt auf Wangerooge auf der Oberen Strandpromenade. Die Insel zeigt sich von seiner besten Seite. Das Meer sieht aus wie ein heruntergefallener Himmel. Es ist windstill. Auf Laternen, Strandkörben und Dächern thronen Möwen und Dohlen, als würde die Insel ihnen gehören. Vor dem Friesenjung sitzen ein Dutzend Touristen und essen ihre Burger mit Pommes.
Aus dem Café Pudding rennt ein Gangster, dem die Kripo dort eine Falle gestellt hatte. Es fällt ein Schuss. Die
Klaus-Peter Wolf, Bestsellerautor und Erfinder der Ostfrieslandkrimis, schreibt jede
Woche für unsere Zeitung auf, was ihm als Wahl-Ostfriesen an Norddeutschland so sehr gefällt.
Touristen fliehen von ihren Tischen. Das Freudenfest für die Möwen beginnt. Erst jetzt wird klar, dass ein paar Dutzend auf einen günstigen Moment gelauert haben mussten. Nach den Möwen kommen die Dohlen und Spatzen und holen sich die Reste. Als der Gangster gefasst ist und die Urlauber zu ihren Tischen zurückkehren, finden sie nur noch leere und ein paar Federn in der auf dem Tisch verkleckerten Mayonnaise.
Viele Menschen hat das an eigene Urlaubsabenteuer erinnert. Die Geschichten über Möwenangriffe, die ich zugeschickt bekam, würden locker ein Taschenbuch füllen. Viele berichten davon, dass die Raubvögel bandenmäßig organisiert zuschlagen. Oft erfolgt die Attacke von hinten, während man von zwei anderen Vögeln abgelenkt wird. Die Diebesbanden verfolgen nicht nur Kinder mit Pommes-Tüten. Oh nein! Sie verschlingen ganze Matjesbrötchen mit Zwiebeln oder auch gern ein Eis in der Waffel mit Sahne. Ja, Möwen lieben Eiscreme.
Natürlich wollten viele Leserinnen wissen, wie ich auf die Geschichte kam. Nun gut: Gangster spielten keine Rolle. Bettina hatte Geburtstag, und wir wohnten in unserer Ferienwohnung auf Wangerooge. Ich wollte ein guter Ehemann sein und schlich mich früh aus dem Haus, um Brötchen zu holen. Auf Wangerooge gibt es besondere Brötchen, die Seelen genannt werden, und so schmecken sie auch. Leise deckte ich auf dem Balkon mit Meerblick den Frühstückstisch. Alles war da. Nicht nur die Seelen, sondern auch ein Geburtstagskuchen.
Bettina schlief noch, und ich ging wieder rein, um Kaffee zu kochen und sie zu weTeller cken. Schwerer Anfängerfehler!
Man lässt am Meer nie Essen unbeaufsichtigt. Ich habe Bettina nicht geweckt, sondern das Gezeter der Möwen, die sich um die Beute zankten. Tassen, Wasserkaraffe und Marmeladengläser zerschepperten auf dem Boden. Den Rest nahmen die fliegenden Räuber mit. Als ich rauslief, um sie zu verscheuchen, hörte es sich ein bisschen so an, als würden sie mich auslachen. Fürs Frühstück war es nicht so gut, aber für den Roman eine prima Inspiration.
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